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Gwydion Ollivander - Druckversion

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Gwydion Ollivander - Gwydion Ollivander - 22.01.2025

1962 - nine years old - becoming a secret keeper

Gwydion saß auf seinem Bett, die Decke eng um ihn geschlungen. Den Rücken und Kopf gegen die Wand gelehnt. Auf dem Nachtschrank ein dampfender Kakao, den seine Mutter ihm kurz zuvor gebracht hatte. Sie hatte bereits versucht ihn zu beruhigen, doch kannte sie ihren Sohn gut genug um zu wissen, dass ihm liebevolle Küsse auf den Scheitel und lange Umarmungen nicht immer halfen. Somit ließ sie ihn für sich. Was gut war. Jetzt konnte all der Druck abfallen und er endlich wieder atmen.

Denn zuvor hatte es keinen Moment der Ruhe gegeben. Von einem auf den anderen war alles hektisch geworden und Gwydion hatte kaum begriffen, was überhaupt geschehen war, als er mit kleinen, verschlafenen Augen aus seinem Zimmer in den Flur ging. Doch wurde es ihm schlagartig bewusst, als er einen kurzen Blick auf seinen besten Freund, erhaschte. Der Anblick war gewiss nicht für die Augen eines Neunjährigen bestimmt gewesen.
Gwydion würde ihn niemals vergessen.

Niemand hier war auf dieses Ereignis vorbereitet gewesen.
Perce wurde auf ein Zimmer gebracht, wo versucht wurde die Schäden des fluchtartigen Disapparierens so schnell wie möglich zu behandeln. Unterdessen hatte Gwydion warten müssen. Die quälende Unsicherheit ertragen, während er eigentlich auf seinem Zimmer hatte warten sollen. Doch stattdessen hatte er die erhitzten Diskussionen der Erwachsenen heimlich belauscht. Hörte die Fetzen von Gesprächen, während er um das Leben seines besten Freundes bangte. Die Blacks sollten einen neuen Namen erhalten. Einen neuen Wohnort suchen.
Ein Zuhause, welches geheim bleiben musste.
Ein Geheimnis, welches in jemandem verwahrt werden sollte.
"Ich mach es!"
Ein überraschtes Schweigen durchzog augenblicklich den Raum, während die törichte Idee des Jungen verhallte.
Denn was machte er überhaupt hier?!

Ablehnungen prasselten ihm entgegen, während sein Vater bereits im Inbegriff war ihn auf sein Zimmer zu bringen. Doch dann folgte die erste Überlegung.
Warum eigentlich nicht?
Warum nicht jemanden auswählen, auf den niemand kommen würde?
Und falls doch, hatte man als Geheimniswahrer schließlich nichts zu befürchten, war dieser mächtige Fidelius-Zauber durch nichts zu brechen, was ihm schaden würde. Weder durch Flüche, Folter noch durch jedwede andere Grausamkeiten.

Noch bevor Perce wieder auf seinen Beinen stehen konnte, war es vollbracht.
Der Zauber war um den neunjährigen Jungen gewoben worden, welcher die Familie von nun an schützen sollte - und Gwydion die Sicherheit versprach, dass seinem Freund soetwas Schlimmes nie wieder zustoßen würde. Nicht, wenn er es verhindern konnte.

Kurz darauf kam Perce aus dem Zimmer. Nicht unversehrt, jedoch wohlauf.
Gwydion lernte in diesem Moment, was Erleichterung bedeutete. Ein Gefühl, mit welchem er seinen Freund dankbar in die Arme schloss. Perce den Halt gab, der ihm gerade merklich fehlte. Für Gwydion selbstverständlich. Er würde es von nun an für immer tun. Ganz gleich, was auch kommen mochte.



1964 - eleven years old - becoming a hogwarts student

Nervös blinzelte er einige Male, ehe er sich durchrang, sich in Bewegung zu setzen. Sein Brustkorb hob und senkte sich schwerfällig, als würde etwas von außen seinen Oberkörper zusammenpressen, während er einen Fuß vor den anderen setzte. Links. Rechts. Links. Rechts. Links... da war er. Der Hocker, über welchen der magische sprechende Hut von Professor McGonagall gehalten wurde. Hoch genug, dass Gwydion sich problemlos hinsetzen konnte. Wie seltsam kompliziert sich sowas wie Hinsetzen anfühlen konnte, nur weil die Blicke von etlichen Gesichtern auf einen gerichtet waren und ein fürchterlich nervöses Gefühl entflammen ließen, dass einen drohte zu lähmen.
Gwydion bemühte sich, einfach nur starr auf die gigantische Tür am anderen Ende des Großen Saals zu sehen. Wich damit all den Augenpaaren aus, die anscheinend gespannter waren über das Urteil des Hutes, als Gwydion es selbst war. Er wollte einfach nur, dass dieser Moment hier schleunigst vorbeiging.

Er zuckte zusammen, als der Hut auf seinem Kopf abgesetzt wurde.
"Oooh ein Ollivander!", ertönte es erfreut. "Mit euch ist selten einfach. - Wollen wir doch mal sehen, was dein Köpfchen so zu bieten hat..."
Gwydion presste die Zähne zusammen, während er kurzhand die Augen schloss. Hoffte, das Herzrasen damit etwas unter Kontrolle zu bekommen.
"Aaah... ein cleveres Bürschchen scheinst du zu sein. Neugierig und wissbegierig. Ravenclaw würde dich da sicherlich weit bringen. - Doch was sehe ich da...? Ein reines Herz. Du scheinst ein aufrichtig, wahrer Freund zu sein. - In Hufflepuff wärst du unter deinesgleichen und würdest du dich sicherlich wohlfühlen... schwierig... jaja... äußerst schwierig...hmhmm..."

Mit jedem Wort, dass der Hut sprach, wurde es für Gwydion immer schwieriger zu folgen. Alle Eindrücke schienen umso mehr auf ihn einzuprasseln, je mehr er sich bemühte diese auszublenden.
Doch dann riss ihn Jubel aus seinem viel zu lauten Gedankenchaos, während die schwere Kopfbedeckung merklich seinen Kopf verließ. Überrascht öffnete Gwydion die Augen, blinzelte. Atmete. Spürte dann einen leichten Druck auf seinen Rücken, da er offenbar schon längst hätte aufstehen sollen.
Wie in Trance folgte er dieser stummen Aufforderung von Professor McGonagall, bewegte sich auf den jubelnden Tisch zu. Seine Augen jedoch wanderten kurz zu einem anderen Tisch, wo Perce bereits saß. Gwydion hatte gewusst, dass er nicht zu den Slytherins kommen würde. Er wäre dort doch zu sehr fehl am Platz. Dennoch kam er nicht umhin kurz traurig darüber zu sein, jetzt, wo es endgültig feststand, dass sie in getrennten Häusern sein würden.

Er fühlte sich etwas zittrig, als er auf einem der freien Plätze sich hinsetzte. Spürte dabei, wie man ihm freudig auf den Rücken klopfte, während er von allen Seiten willkommen geheißen wurde. Die Freude darüber, den Sohn der Familie in ihrem Haus zu begrüßen, aus deren Laden wahrscheinlich beinahe jeder hier seinen Zauberstab hatte, war offensichtlich.
Gwydion rang sich ein Lächeln ab, ohne wirklich jemanden anzusehen. Außer Perce, dem er traurige Blicke zuwarf. Wartete derweil sehnsüchtig darauf, dass die Aufmerksamkeit abebbte und man sich lieber dem nächsten Erstklässer widmete. Was kurz darauf geschah, wodurch Gwydion endlich in der Lage war, einen tiefen Atemzug zu nehmen und anzukommen. Hier am Tisch der Ravenclaws.



1969 - fifteen years old - becoming a dragon whisperer and wand maker

Seit seiner Kindheit war es bereits für ihn alltäglich, in die Geheimnisse der Zauberstabherstellung eingeweiht zu werden. Es war für ihn spielerisch und fühlte sich auch nie nach Arbeit an. Dabei den verschiedensten Tierwesen zu begegnen, um von ihnen für Zauberstabkerne etwas zu sammeln, liebte er am meisten.
Mulmig zumute wurde ihm allerdings, als es sich in seinen Ferien vor dem sechsten Schuljahr regelrecht anbot, erstmalig einem Drachen aufzusuchen. Sein Vater hielt es für eine hervorragende Idee. Gwydion dagegen war nicht überzeugt. Vor allem, als er plötzlich dieses gigantische Wesen direkt vor sich sah. Gebettet auf einer Lichtung, umgeben von schützenden Bäumen. Das selbst erwählte Totenbett eines altersschwachen und dennoch unendlich majestätischen Wesens. Gwydion traute sich kaum in dessen Gegenwart zu atmen.
Sein Vater dagegen - nunja. Er hielt es gelegentlich für das Beste jemanden ins kalte Wasser zu werfen, damit die Person schwimmen lernte. Zählte auf die Intuition, die bei Gwydion sich in Bezug auf Tierwesen bislang als recht versiert erwiesen hatte.
Damit ließ er den Teenager augenscheinlich sogar alleine mit seiner Aufgabe. Was er natürlich nicht wirklich tat. Verbarg sich im Wald. Blieb wachsam, um eingreifen zu können, sofern es notwendig sein würde. Doch er wusste, dass Gwydion sich besser anstellte, wenn er glaubte, dass ihm niemand über die Schulter sah.

Der Drache zeigte sich unbeeindruckt von all dem. Seine Tage waren gezählt, sein Hunger vergangen und der Überlebenswille nichtig. So lag er dort, schenkte Gwydion nicht einmal Beachtung. Dieser umklammerte dagegen fest und haltsuchend seinen Zauberstab, den er eigentlich nicht benutzen durfte, und blieb eine Weile lang wie angewurzelt stehen, ehe er sich traute, sich minimal zu bewegen. Ruhig dabei, auch wenn sein Herz aus der Brust zu springen drohte.
Langsam tastete er sich vor, blieb jedoch auf Abstand. Sprach vorsichtig und leise zu dem Wesen, welches damit begann das sichtbare Auge auf ihn zu richten.
Mehr geschah nicht.
Somit holte Gwydion seine hölzerne Flöte hervor, wie er es immer tat. Begann darauf zu spielen.
Die Augen des Tierwesens schlossen sich, friedlich. Der Körper atmete sichtlich ruhig.
Gwydion setzte sich auf den Boden und hörte nicht damit auf. Traute sich mit der Zeit auch etwas näher zu rücken. Jedoch nicht zu nahe.
Als ihm irgendwann die Melodien ausgingen holte er aus seinem Rucksack ein Buch hervor, aus welchem er begann vorzulesen. Die Stunden vergingen, der Abend und die Nacht brach irgendwann über sie herein. Gwydion hatte zwischenzeitlich ein kleines Lagerfeuer entzündet und bemerkte nicht, wie die Müdigkeit ihn irgendwann überrollte und er zur Seite in den Schlaf kippte.

Es war ein warmes, hartes Gefühl an seinem Rücken, welches ihn irgendwann wieder weckte. Einige Herzschläge mussten vergehen, ehe er realisierte, wo er war. Sich erinnerte.
Seine Augen öffneten sich, blickten auf das verglimmte Lagerfeuer vor ihm, welches keine Wärme mehr spendete. Die Erkenntnis überrumpelte ihn und seine Augen weiteten sich.
Wie in Zeitlupe richtete er sich auf, wandte umsichtig den Kopf nach hinten.

Gwydion maßte sich nicht an zu verstehen, warum der im Sterben liegende Drache seinen Kopf direkt neben ihn gelegt hatte. Es war eine absurde Mischung aus Überforderung und Überwältigung, jedoch wich Gwydion nicht zurück, auch wenn seine Instinkte danach schrien wieder auf Abstand zu gehen. Allerdings - er hatte hier geschlafen, ohne das der Drache ihn zur Henkersmahlzeit auserkoren hatte.
Was sollte also schon passieren, wenn er bei ihm blieb?

Damit verstrichen die letzten Stunden dieses Geschöpfs. Gwydion spielte erneut für ihn, las ihm vor und sprach zu ihm. Erzählte ihm auch von seinem Vorhaben. Warum er hier war. Auch wenn es von Minute zu Minute für Gwydion zweitrangig wurde. Sein Fokus lag schon längst woanders.
Doch irgendwann geschah es.
Der Drache tat seinen letzten spürbaren Atemzug und entschlief damit.
Ein intensives Gefühl der Traurigkeit überkam Gwydion, als es ihm bewusst wurde. Die Hand auf den Nüstern liegend spürte er, wie sich ein feuchter Schleier über seine Augen legte.

Sein Vater, der im Verborgenen keinen Moment von seiner Seite gewichen war, trat aus den Bäumen hervor. Legte die Hand auf die Schulter seines Sohnes. Ließ ihm Zeit, ehe er den Moment des Abschieds sanft beendete. Sie beide daraufhin dazu brachte, sich an ihr Handwerk zu machen und das zutun, weswegen sie hier waren. Lehrte Gwydion darin, welche Zauber es brauchte, um die Drachenherzfaser zu entnehmen. Natürlich konnte Gwydion nur zusehen und sich Notizen machen, durfte er in den Ferien keine Zauber wirken. Und dennoch war dem Jungen noch nie etwas so schwer gefallen. Auch wenn er nur aufpassen und lernen sollte.
Im Anschluss behielt er eine der gelösten Schuppen als Erinnerung und schwor sich, ein Auge darauf zu haben, wer diese Zauberstäbe bekommen würde. Die Zauberstäbe, in welchen mit den Drachenherzfasern ein Stück der Seele des Wesens sicherlich weiterleben würde.



1978 - twenty-five years old - the guilt of a failed secret keeper

Der Entwaffnungszauber traf Gwydion völlig unvorbereitet. Stieß gegen ihn, schleuderte ihn rücklings nach hinten und entriss ihm seinen Zauberstab. Unsanft landete Gwydion auf dem harten Gehweg vor dem Haus. Vermutlich hätte er seinem Schmerz hörbar Ausdruck verliehen, wäre die Verwirrung, der Schreck, nicht im Vordergrund.

Darum stemmte er sich vom Boden hoch und blickte schmerzverzerrt sowie voller Verwirrung auf. Die kurz zuvor von einem Werwolf gebissene Schulter pochte protestierend.
Doch sah er zu Perce, den er soeben zu dessen Elternhaus appariert hatte. Seine großen Augen blickten seinen verletzten besten Freund an und Gwydions Lippen formten Worte, doch brachte er gerade keines davon über die Lippen. Die Gedanken überschlugen sich, rasten vorbei, ohne dass er auch nur einen davon greifen konnte.
„Perce…? Wa-?“

Eisiges Entsetzen rann über Gwydions Körper hinweg, ließ ihn erschaudern und die Augen vor blanker Panik noch weiter weiten, als die Erkenntnis ihn schlagartig traf. Gwydion erstarrte, spürte sich nicht mehr. Unfähig sich zu rühren, während er ungläubig in das vom Vollmond erhellte Gesicht starrte, welches auf ihn hinabblickte. Das Gesicht seines besten Freundes, welches jedoch nicht sein bester Freund war…

„Nein… nein, das…“, stammelte er leise, kaum hörbar.
Es war… es konnte nicht…
Er wollte sich aufrichten. Er wollte sich auf die Beine bringen. Etwas tun, egal irgendwas. Den Zauberstab zurückholen. Das aufhalten, was auch immer hier gerade passierte.
Doch sein Körper gehorchte ihm nicht. Er war bleischwer und widersetzte sich ihm.
Plötzlich wurde er hochgerissen auf beide Beine. Keuchte vor Schmerz und Überraschung auf, blickte sich um. Blickte zu seinem Zauberstab, der nicht mehr da war. Sah zu Perce, der nicht Perce war. Bemerkte nur kurz die in vollständig schwarz eingehüllte zweite Person, ehe diese ihn bereits fortbrachte von hier.
Der Beginn von Gwydions flehend verzweifeltem Ausruf verhallte körperlos in Ringwoods von Werwölfen terrorisierte Straßen und fand sein Ende in der Dunkelheit eines Kerkers.



Gwydion schluckte, wurde sein Mund augenblicklich trocken, während er den namenlosen Werwolf anstarrte. Der Mann, der ihm unvorbereitet und völlig beiläufig eine Antwort lieferte, deren Frage Gwydion nicht ausgesprochen hatte. Eine Antwort, die er nicht hören wollte. Es wäre eine Möglichkeit, ihm nicht zu glauben. Doch hielt Gwydion ihn für vieles, jedoch nicht für einen Lügner. Nicht ihm gegenüber. Nicht zuletzt wegen diesem Vertrauen, was nicht da sein sollte. Dieses Band zwischen ihnen, welches er nicht verstand.

Hitze überkam Gwydion und sein Herz fing an zu rasen. Sein Brustkorb hob und senkte sich sichtbar, hatte er plötzlich das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Panik stand in Gwydions Augen, die seinem Gegenüber auswichen. Die Erkenntnis wuchs Atemzug für Atemzug.
Er hatte versagt. Er hatte Blut an den Händen. Ihr Blut.
Das Blut seines besten Freundes und dessen Eltern.
Sie waren tot.
Perce war tot.

Der Schmerz überkam ihn mit einer solchen Wucht, dass er kaum imstande war ihn zu ertragen. Und dennoch versuchte er es. Er versuchte all diesen Gefühlen, die ihn zu übermannen drohten, keinen Raum zu geben. Nicht in Tränen auszubrechen. Nicht zu schreien. Obwohl es unerträglich erschien, es nicht zu tun.
Der Kampf spiegelte sich in seinen Gesichtszügen wider. Grimassen, die sich wehrten und dennoch das Leid verrieten, was der Mann mit nur wenigen Worten ausgelöst hatte.

Gwydion stützte die Ellenbogen auf seinen Knien ab und fuhr sich mit den Händen durch seine ungewaschenen Haare. Senkte den Kopf, verbarg das fahle Gesicht. Grub mit den Fingern so fest in seine Kopfhaut, dass es schmerzen müsste. Doch er spürte es nicht. Auch nicht die pochende Schulter oder die permanenten Kopfschmerzen. Jetzt gerade war da nur Übelkeit. Ein krampfhaftes Zusammenziehen in seinem Brustkorb. Dieses Gefühl von unumstößlicher Sicherheit, dass er alles verloren hatte. Dass es seine Schuld war.
Seine Schuld, dass Perce nicht mehr am Leben war.



1984 - thirty-one years old - can't drink, can't drug, can't drown them away

Irgendwas musste doch daran sein. Daran, dass eine Flucht an einen Ort wie dieses irgendetwas half. Dass es besser machte, was sich gerade so furchtbar erdrückend anfühlte.

Gwydion hatte die Stille in seinem Zuhause nicht ertragen. Diese ausgetauscht gegen eine Überreizung im annähernd unerträglichen Ausmaß. Die stickige Luft, getränkt voll Schweiß und Alkohol. Darüber hinaus das lauthalse Lachen aus jeder Ecke, während er vom Bad aus viel zu häufig jemanden kotzen hörte. Es vermengte sich mit der Musik, die aus den schlechten Muggel-Boxen dröhnte. Es machte es Gwydion schwer dieser bernsteinfarbenen Flüssigkeit in seinem Glas etwas abzugewinnen. Und doch saß er hier schon bald mehr als eine Stunde. Womöglich waren es sogar schon zwei. Er wusste es nicht.

Der Whisky tat zunehmend dennoch seine Wirkung. Ließ die Geräuschkulisse mehr und mehr zu einem Rauschen verschwimmen, welches das gnadenlose Gedankenkarussell in seinem Kopf ansatzweise übertönte.
Es waren längst nicht nur die eigenen Verfehlungen, die sich in seinem Geist breitmachten. Mit ihnen konnte er leben. Bildete er sich zumindest ein.
 Doch es war vielmehr, als nur das. Mehr als die grausamen Bilder, die ein Krieg hinterließ. Es war das, was seinen tristen Alltag mit Abwechslung erfüllte. Remus, den er leiden sah und nicht helfen konnte. Alice, deren Anblick er kaum ertrug und sich dennoch immer wieder aufs Neue zumutete. Ihren Sohn, an den er zwar denken musste, der ihm allerdings vorenthalten wurde. Wenn Gwydion sich von außen selbst betrachtete, konnte er es dieser Schreckschraube von Frau nicht einmal verdenken, dass sie ihn von ihm fernhielt. Selbst ohne zu wissen, dass er einen Wolf in sich trug, erschien er kein guter Umgang. Nicht auf Dauer. Schon lange nicht mehr.


Gwydion hatte das Gefühl verloren zu haben. Alles. Sein Leben. Die, die ihm wichtig waren.
Vor allem sich selbst.
Er war nicht einmal in der Lage ohne Verbitterung an Perce zu denken, der sein Glück gefunden hatte. Es lebte, weit entfernt von diesem Land, welches sich noch immer die Kriegswunden leckte. Gwydion wusste, dass es richtig war. Dass er sich für ihn freute, weil er hatte, was Gwydion sich schon immer für ihn wünschte. Nur konnte er seinen Kopf nicht aufhalten. Seine Gedanken nicht kontrollieren. Noch weniger, was er fühlte, wenn er an ihn dachte.
Es machte es noch grauenvoller, dieses Gefühl. Als würde Gwydion es ihm missgönnen, dieses Glück. Natürlich tat er es nicht. Und doch fühlte es sich in Augenblicken wie diesen an, als hätte Perce ihn verlassen. Was nicht stimmte. Er wusste, dass es nicht stimmte. Doch diese Enge in seiner Brust, sie wollte ihn anderes glauben lassen. Denn es war so einfach, sich anderes einzureden. So einfach, sich noch tiefer sinken zu lassen.

Ein volles Glas erschien vor ihm.
Hatte er ein weiteres bestellt? War er schon so weit, dass er es nicht einmal mehr mitbekam?

Nein, da war jemand, der neben ihm auftauchte. Dunkle Haare, dunkle Augen. Es war einnehmend, wie er Gwydion ansah.
Gwydion wusste nicht wirklich, was er damit anfangen sollte. Mit diesem Fremden, dessen Einladung. Dem oberflächlichen Gespräch, in das er verwickelt wurde. Doch er wehrte sich nicht dagegen. Ließ sich treiben in diesem belanglosen Miteinander, welches er zu jedem anderen Zeitpunkt als lästig empfunden hätte. Doch nicht jetzt, wo der Whisky ihm eine dankbare Leichtigkeit verlieh. Sich daran nicht störte, wie der Andere ihn irgendwann beiläufig berührte. Nicht zurückwich. Nicht einmal zuckte. Weder, als das Knie sein Bein streifte, noch, als irgendwann sogar dessen kleiner Finger direkt neben seinem lag. Der dort liegen blieb. Unscheinbar, waren es nur zwei Hände, die ihre Gläser umgriffen. Direkt nebeneinander, Haut an Haut. Es war viel. Eigentlich war es zu viel. Nur war zu viel heute, was er suchte. Was er brauchte, um nicht noch tiefer zu sinken.

Er ging mit ihm. Nur ein paar Straßen weiter. Die Stille der Nacht gefüllt von belanglosen Wortwechseln, die dennoch erheiterten. Eine Auszeit gaben.
Gwydion war sich fremd. Doch sich fremd sein fühlte sich gut an. Nur einmal nicht er selbst sein. Nichts überdenken. Sich lenken lassen von Whisky und einem Fremden, der ihn führte. Die Treppen hinauf, bis sie in dessen Wohnung waren. Wo augenblicklich die Stimmung eine andere wurde, als die Tür sich hinter ihnen schloss. Die Außenwelt abschirmte, die verurteilt hätte. Für die Blicke, die es schafften Gwydions zu fesseln, obwohl er diesen andernfalls ausgewichen wäre. Weil sich nun doch die Unsicherheit darin breitmachte. Weil es ihm unangenehm war, seine Unbeholfenheit, derer er sich jetzt wieder bewusst wurde.


Doch Gwydions Unsicherheit wurde gesehen. Aufgefangen.
Wahrscheinlich annehmend, dass es daran läge, dass sie Männer waren. Nicht ahnend, dass beinahe alles hieran neu für Gwydion war. Die Nähe, die entstand, in der etwas forderndes lag. Den Lippen des Anderen, die zaghaft Gwydions dazu einluden, sich darauf einzulassen. Ein Gefühl erweckten, welches sich mit dem von Alkohol benebelten Zustand verwob. Es war überraschend leicht, sich darin fallen zu lassen. Sich dem entstehenden bedeutungslosen Rausch hinzugeben, welcher eines zum anderen führen ließ.
Gwydion brauchte nicht nachdenken. Nur einmal konnte er einfach nur sein. Sich der allumfassenden Besinnungslosigkeit hingeben.
Solange, bis diese ein Ende fand. Ihn zurückließ.
Zurückstieß in die Realität, in die er nicht zurückwollte.