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Sirius Black - Druckversion

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Sirius Black - Sirius Black - 28.01.2025

Sirius hat keine Erinnerung an seine ersten Jahre. Sein Gedächtnis scheint erst zu seinem vierten Lebensjahr angesprungen zu sein und Erinnerungen gesammelt zu haben, von denen er im Jahr 1995 nur noch sehr wenige mit sich herumträgt; viele schöne Momente wurden ihm von den Dementoren genommen, andere hat er so tief in sich verschlossen, dass es ihm selbst schwer fällt, erneut daran heranzukommen. Grundsätzlich gibt es in seinem Kopf keine Erinnerungen an eine Kindheit ohne seinen kleinen Bruder Regulus. In Sirius’ Vorstellung war Regulus immer da, auch wenn er natürlich weiß, dass das nicht sein kann, immerhin ist Reggie der Jüngere. Aber alles, was davor passiert war, war offensichtlich nicht wichtig genug. (Es brauchte erst ein paar gute Freunde, die ihn freundlich darauf hinwiesen, dass man sich selten an Dinge aus der frühen Kindheit erinnert.)

Unvergessen ist der Moment, in dem der junge Sirius Black seine erste magische Begabung hatte. Es passierte im Alter von vier Jahren - in dem Jahr, als sein Gedächtnis anfing, aktiv besondere Erinnerungen zu sammeln und aufzubewahren. Es begann mit Regulus, der unglücklich und unzufrieden mit ihm auf dem Boden von Sirius’ Zimmer saß. Aus Angst, man könnte ihm den kleinen Bruder wegnehmen oder ihn zu Bett bringen, wenn er quengelte, versuchte Sirius alles, um ihn abzulenken und zu beschäftigen. Regulus schien wenig begeistert von den Bemühungen seines Bruders. Der griff in seiner Verzweiflung irgendwann nach einem Plüschhund - einem Geschenk von Onkel Alphard - und versuchte sich dahinter ganz klein zu machen, damit Regulus nur den Hund ansah und nicht Sirius. Der verstellte daraufhin seine Stimme und bellte, während er den Plüschhund vor Regulus auf und ab bewegte. Erst da wurde die zuckende Unterlippe des kleinen Bruders wieder ruhig. Wirklich lange konnte er ihn mit diesem Schauspiel nicht ablenken und Sirius wurde immer verzweifelter und versuchte den Plüschhund immer echter und aufregender zu spielen, bis … bis aus dem weichen Mund echtes Gebell erklang und als Sirius das Kuscheltier losließ, setzte es sich von ganz alleine in Bewegung. Sirius weiß bis heute nicht, ob es der Anblick des zum Leben erweckten Plüschhundes war oder sein überraschtes Gesicht, das Regulus zum Lachen brachte, aber es war das schönste Geräusch, das er in seinem kleinen Leben gehört hatte. Angelockt von dem hellen Kinderlachen und dem Gebell, tauchte kurz darauf Walburga bei ihnen im Zimmer auf. Noch ein Grund, wieso Sirius sich mit guten Gefühlen an diese Erinnerung klammerte: Es war einer der wenigen Momente, in denen er sah, dass seine Mutter wirklich stolz auf ihn war. In seiner Vorstellung lächelt sie sogar, auch wenn er rückblickend nicht weiß, ob sie das wirklich getan hat oder er es sich nur wünscht.

Die Black-Kinder wuchsen äußerst behütet, gleichzeitig aber auch sehr abgeschottet ab. Sirius’ Fixierung auf den kleinen Bruder rührte daher, dass er der Großteil seines Lebens der einzige Spielkamerad und ewige Gefährte war. Obwohl das Elternhaus von weiteren Gebäuden umgeben war, in denen andere Menschen wohnten, kam Sirius nie mit ihnen in Kontakt. Den Grund dafür erfuhr er sehr früh: sie waren Muggel und mit Muggeln gab man sich nicht ab. Irgendjemand setzte ihm auch den Floh ins Ohr, dass sie gefährlich waren und kleine, magische Kinder entführten, wenn man nicht aufpasste. Häufig ließen sie dann eines ihrer eigenen, nicht-magischen Kinder zurück und saugten die Magie aus ihrem Opfer. (Sirius weiß bis heute nicht, wer ihm diese Schauergeschichte damals erzählt hatte, aber er tippt darauf, dass Cousine Bellatrix ihn verstören wollte - mit Erfolg.) Die wenigen Kontakte, die die Kinder hatten, beschränkten sich auf andere Kinder aus gehobenen, reinblütigen Familien, bevorzugt aus den eigenen Kreisen. Die Cousinen Bellatrix, Andromeda und Narcissa waren daher häufig zu Gast; Sirius konnte mit den Mädchen schon alleine aufgrund des Altersunterschieds wenig anfangen und blieb lieber bei Regulus. Erst Jahre später baute Sirius eine echte Beziehung zu seiner älteren Cousine Andromeda auf, die nicht so boshaft und unterkühlt war wie ihre beiden Schwestern, denen er häufig die Stirn bot. Andromeda - häufig nur Andy genannt - fütterte ihn mit Einblicken aus Hogwarts, die sich für Sirius anhörten, als ob sie es sich nur ausgedacht hatte. Er konnte sich ein Internat nicht ausmalen, in dem Schlammblüter an einem Tisch mit Reinblütern saßen, denn in seiner Welt kollidierten diese Arten von Zauberern und Hexen niemals, außer an öffentlichen Orten wie der Winkelgasse.

Vor einem Spiegel mochten sich Regulus und Sirius geähnelt haben, doch dem Ältesten der beiden wurde früh beigebracht, dass er eine besondere Rolle hatte, die ihn maßgeblich von Regulus unterschied: Er war der Erbe der Blacks. Eines Tages würde er in die Fußstapfen seines Vaters treten und dessen Verantwortung für die Familie übernehmen. Sirius konnte anfangs nur wenig mit diesen Worten anfangen. Als man es ihm genauer erklärte, fand er die Aussicht darauf, dass er seine Cousinen herumkommandieren konnte, ganz spannend. Die Begeisterung legte sich erst, als er begriff, dass er das erst konnte, wenn sein Vater tot sein würde - und das wollte er als kleiner Junge nicht. Er versuchte den Kummer und die aufkommenden Tränen zu verstecken, indem er bockig die Arme vor der Brust verschränkte und murmelte: ”Dann mag ich nicht.” Sirius liebte seinen Vater in den ersten Lebensjahren - etwas, das sich änderte, je älter er wurde. Er wollte ihn nicht verlieren und lieber würde er sein ganzes Leben lang mit Regulus spielen, sich von den Cousinen ärgern lassen und weiterhin “nur” Sirius bleiben, wenn das bedeutete, dass sein Vater ewig lebte und für immer das Oberhaupt der Familie blieb.

Die darauffolgenden Jahre zeigten ihm, dass es kein Davonlaufen vor dem Schicksal gab. Je älter er wurde, je mehr Gespräche er mit seinem Vater führte, umso deutlicher wusste er, welche Ehre es war, eines Tages von ihm zu übernehmen, auch wenn es bedeutete, dass er ihn im gleichen Zuge verlieren würde. Er nahm die Rolle an, die man ihm schon als Kind aufbürdete und gleichzeitig stieg sie ihm zu Kopf. Noch nicht einmal acht Jahre alt, fing er an, seine Cousinen bei Besuchen herumzukommandieren, dass sie ihm Saft und Schokolade bringen sollten, immerhin sei er der Erbe der Blacks und sie mussten ihm gehorchen. Mit einem ähnlich herrischen Ton begegnete er sogar der eigenen Mutter. Walburga war darüber wenig erfreut, aber an diesem Tag wurde Sirius wegen seinem aufmüpfigen, unverschämten Verhalten nicht zum ersten Mal in seinem Leben bestraft. Er hatte schon zuvor häufiger die Härte ihrer Erziehung erfahren und wie sie versuchte, aus ihm etwas zu machen, was er nicht war. Mit jeder weiteren Bestrafung, jedem schneidenden Ton und jeder Maßregelung schrumpfte seine Zuneigung und Liebe zu seiner Mutter. Er machte es sich fast schon zur Aufgabe, sie zu provozieren und am laufenden Band herauszufordern. Du bist mit mir unzufrieden?, wollte er ihr damit sagen. Ich auch mit dir!

Schutz und Nähe suchte Sirius anfangs bei seinem Vater, den er aufgrund seines Berufs nicht so häufig zu Gesicht bekam, wie er es sich wünschte. Immer wieder sah er auf die Uhr und wartete, dass es dunkel wurde, denn wenn es dunkel wurde, kam sein Vater meist nach Hause. Sirius’ ganze Aufmerksamkeit verlagerte sich dann auf Orion: er wollte wissen, was er getan hatte, wollte mit ihm in dessen Büro gehen - das sonst für ihn tabu war - und die Schachfiguren inspizieren. Am liebsten hätte er einen Trank genommen, mit dem er nie wieder schlafen musste, um jede Abendstunde mit Orion vollständig auszukosten. Seinem Vater verzieh er sogar jedes Machtwort und jede Zurechtweisung, weil er nicht gefährden wollte, dass er die wenigen Stunden mit ihm auch noch verlor. Sirius lernte früh das Schachspiel und lange, bevor seine Füße den Boden berühren oder er das Brett vollständig sehen konnte, saß er schon auf dem Platz gegenüber von Orion und bettelte ihn an, mit ihm zu spielen und ihm Geschichten zu erzählen.

Die Tage gehörten Walburga und Regulus, die Abende seinem Vater Orion und viele, sehr viele Nächte waren wiederum für Regulus bestimmt. Sirius erkannte schnell, dass sein kleiner Bruder anders war, fand es aber nicht schlimm, immerhin war er noch immer Regulus. Wenn er hörte, dass er nachts von einem Albtraum hochgeschreckt wurde, war Sirius bereits auf den Beinen und eilte durch den Flur. Wenn Regulus wach wurde und er es nicht bemerkte, dauerte es meist nicht lange, bis er in seinem Bett auftauchte. Sirius machte immer Platz für Regulus, um ihn in den Arm zu nehmen, zu trösten und mit ihm über die Dinge zu sprechen, die er träumte und sah. Er musste erst älter werden, um wirklich zu verstehen, dass dieser Fluch seines Bruders in Wahrheit eine Gabe war - für alle, nur nicht für ihn. Regulus war ein Seher und immer wieder suchten ihn Fragmente aus der Zukunft heim. Bilder, die zu komplex, zu groß und zu schwer für den Verstand eines Kindes waren.

Die große Trennung kam im Alter von 11 Jahren, als Sirius nach Hogwarts ging und damit eine Reihe von Dingen ins Rollen kamen, die niemand - am wenigsten er - hatte kommen sehen. Als ihm in der Großen Halle der Sprechende Hut aufgesetzt wurde, wunderte er sich, wieso der nicht direkt Slytherin hervorbrüllte; seine Eltern hatten ihm gesagt, dass alle Blacks diesem Haus zugeordnet wurden und er - als Erbe der Blacks - wäre da keine Ausnahme. Doch er konnte hören, wie der Hut zögerte und mit sich rang. Er sei unübersehbar ein Black und damit sei die Wahl schon gefallen, teilte ihm der Hut mit, aber er sähe da auch etwas ganz anderes in ihm. Bevor Sirius fragen konnte, was es war, was der Hut gesehen hatte, verkündete dieser bereits seine Entscheidung: Gryffindor. McGonagall musste ihn fast vom Stuhl ziehen, weil er sich nicht bewegen konnte. In Wahrheit war es nicht die Angst davor, eine Tradition gebrochen zu haben und in ein Haus zu gehen, das offensichtlich nicht für Blacks geschaffen war. Sirius hatte Angst davor, wie seine Eltern auf die Neuigkeit reagieren würden. McGonagall schob ihn beherzt Richtung Gryffindortisch und Sirius’ Blick schweifte durch die Große Halle; er konnte alle Blicke auf sich spüren, suchte selbst aber nur die seiner Cousine Andromeda, die als einzige Person im Raum vollumfänglich verstand, was diese Entscheidung für die Familie - und ihn - bedeutete. Er war aus der Reihe getanzt. Ein schwarzes Schaf. Das durfte nicht sein. Abweichungen waren bei den Blacks nicht erlaubt. Am Ende musste er sich direkt in der ersten Woche von seiner Eule - einem Geschenk von Walburga - verabschieden. Seine Eltern waren außer sich und hielten sich mit der Enttäuschung in ihren Zeilen an ihn kaum zurück. Walburga sandte ihm sogar einen Heuler, der ihm am nächsten Morgen gut zu verstehen gab, dass er die Erwartungen der gesamten Familie Black nicht erfüllt hatte.

Sirius musste erkennen, dass viele der Kinder, die er namentlich aus den eigenen, gehobenen Kreisen kannte, in Slytherin waren - selbst seine Cousinen Andromeda und Narcissa waren dort! Obwohl die anderen reinblütigen Kinder sich hüteten, ihn wirklich zu beleidigen - immerhin war er noch immer der Erbe der Blacks - entgingen ihm die ewigen Neckereien nicht. Einige von ihnen sagten Dinge, die er auch in jedem Brief von Walburga hätte finden können. Sirius’ Frustration ließ er dabei vor allem an den eigenen Mitschülern aus. Ohnehin trafen hier Welten aufeinander: Sirius kam erstmals ins Gespräch mit Kindern, die sonst nicht in seinem kleinen Universum existierten. Das zeigte sich auch dadurch, wie er mit ihnen umging. Das ideologische Denken kam ungefiltert aus seinem Mund und er merkte nicht einmal, wie verletzend er mit ihnen umsprang, denn das war alles, was er kannte und gelernt hatte. Es brauchte mehrere Monate, bis er auch nur auf die Idee kam, dass das, was er glaubte und er von seinen Eltern über “die Anderen” - und das waren alle, die nicht wie sie waren - belogen worden war. Das Umdenken kam nicht über Nacht. Es war ein schleichender Prozess, in dem er mehr und mehr hinterfragte, ob die Welt wirklich so war, wie man sie ihm sein ganzes Leben lang beschrieben hatte. Denn mit einem Mal sah er sie mit eigenen Augen und konnte eigene Erfahrungen machen und damit Dinge widerlegen, die ihm in seiner Erziehung beigebracht worden waren und plötzlich keinen Sinn mehr ergaben. Oder wie konnte es sein, dass Muggelstämmige bessere Ergebnisse im Unterricht erzielten, wo er doch der Black-Erbe und so besonders war? Wieso konnten sie auf Anhieb mit dem Besen umgehen, während er einen zweiten Anlauf brauchte?

Stück für Stück wandte Sirius sich mehr von der Familie - oder eher: den Eltern - ab. Gegen Ende des 1. Jahres freundete er sich mit James Potter an, den er den Großteil des Schuljahres verachtet hatte, weil es das war, was man von ihm verlangt und erwartet hatte. Er hatte ein schreckliches Bild von Kindern von Blutsverrätern gehabt, stattdessen konnte er mit James am besten lachen, die wildesten Manöver auf dem Besen absolvieren und die verrücktesten Ideen für Streiche aushecken. Kurz darauf freundete sich Sirius schließlich auch mit den restlichen Jungs in seinem Zimmer an und öffnete sich mehr für die Welt, die er im Alter von 11 Jahren das erste Mal wirklich sah. Es war die Geburtsstunde der Rumtreiber.

Mit einem Mal hatte Sirius einen festen Freundeskreis. Dank ihrer Hilfe konnte er Stück für Stück und über den Zeitraum von sieben Schuljahren viele Seiten in sich niederlegen, die seine Eltern dort überhaupt erst aufgezogen hatten. (An der Stelle soll erwähnt werden, dass es ihm trotzdem nicht gelungen ist, ein vollkommen anderer Mensch zu werden. Diese andere Seite - der Erbe der Blacks - schlummert noch immer in ihm und sie zeigt sich in verschiedenen Situationen. Sirius ist weiterhin arrogant und von sich selbst überzeugt und irgendwo noch immer der kleine Junge, der das imaginäre Zepter schwingt, um die Leute in seinem Umfeld herumzukommandieren, damit sie taten, was er wollte. Remus Lupin hat gelernt, ihn in solchen Situationen entsprechend zu zügeln, nachdem er das - damals noch mit James und Peter - schon zu Schulzeiten häufiger tun musste.)

Die Rumtreiber wurden für Sirius zu einer neuen, einer echten Familie. Die Zeit Zuhause entwickelte sich für ihn mit jedem weiteren Jahr zur Qual. Seine Freunde merkten, wie er sich veränderte - ruhiger wurde, sich in sich selbst zurückzog und es wirkte, als ob man ein Licht in ihm ausgeknipst hatte - wenn die Ferien näher rückten und er damit zurück in den Grimmauldplatz Nr. 12 zurückkehren musste. Die Beziehung der Brüder litt unter Sirius’ Nähe zu den Rumtreibern und der Veränderung, die sie an ihm vornahmen. Jeder Versuch, den kleinen Bruder in die eigene, weitaus offenere und buntere Welt zu ziehen, scheiterte. Regulus zog sich von ihm zurück und Sirius hatte das Gefühl, dass Regulus ihn - genau wie ihre Mutter - verachtete. Immer wieder schrieb er dem kleinen Bruder Briefe, schickte ihm Poster und Postkarten und Bilder, die er in Hogwarts ertauscht oder gekauft hatte. Wenn er in den Ferien nach Hause kam und hoffte, dass etwas davon an Regulus’ Wänden hing, wurde er enttäuscht. All die Aufmerksamkeiten, mit denen er Regulus zeigen wollte, dass er an ihn dachte, waren weg. Nicht an den Wänden, nicht in den Schubläden. Vermutlich verbrannt, mutmaßte Sirius. Alles, was er in den kommenden Jahren in dem Zimmer seines kleinen Bruders fand, waren Zeitungsausschnitte, die sich mit schwarzer Magie beschäftigten.

Die Entfremdung von Regulus ließ er an seinen Eltern aus, vor allem an seiner Mutter. Es verging kaum ein Tag, an dem er zu Hause war und eine Situation zwischen ihnen nicht eskalierte. Übermütig widersetzte er sich immer wieder ihren Worten, gab Widerworte und testete Grenzen aus, als wollte er ihr zeigen: Ich bin der Erbe der Blacks und eines Tages werde ich über all das hier entscheiden und richten und du hast keine Macht mehr über mich.
Die Bestrafungen nahmen zu und wurden härter. Es blieb nicht länger bei krallenartigen Fingern, die ihn packten, nein, Sirius bekam in dieser Zeit vermehrt Walburgas Magie zu spüren. Sie achtete penibel darauf, keine Spuren von ihren Bestrafungen zu hinterlassen. Es lag nicht einmal daran, dass sie damit potenziellen Diskussionen mit dem Lehrpersonal von Hogwarts aus dem Weg gehen wollte, sollten diese davon erfahren. Walburga ging es darum, dass ihr Erstgeborener äußerlich perfekt war und blieb. Seine Eitelkeit - die sich in späteren Jahren in einer komplizierten Beziehung zu Essen niederschlug - rührt daher, weil ihm schon früh eingebläut wurde, dass er schön und anmutig und makellos sein sollte, denn nur so wäre er begehrenswert und die Blacks sollten genau das auf vielerlei Ebenen sein. Man wollte sich in jeder Situation von der breiten Masse abheben und bewundert werden. Ob nun in der Reinheit des Blutes, des Vermögens, der magischen Fähigkeiten oder dem Aussehen.

Trotz ihrer Bemühungen ist es Walburga nicht ganz entgangen, Sirius’ Körper im Laufe all der Jahre frei von jedem Makel zu lassen; ihre Bestrafungen haben Spuren bei ihm überlassen. Dazu zählen unter anderem eine ringförmige Brandnarbe am Oberarm und eine längliche Narbe hinter seinem rechten Ohr, die hinter dem dichten Haar verschluckt wird. Auch die Beziehung zu Orion wurde von Sirius’ unbändiger, wutgespeister Rebellion nicht verschont. Seinem Vater begegnete er weniger laut und aufbrausend, aber immer häufiger mit der gleichen Verachtung, die er für seine Mutter empfand. Er fühlte sich verraten von dem Mann, zu dem er immer aufgesehen hatte, weil er ihm Dinge in den Kopf gepflanzt hatte, die nicht richtig waren. Orion duldete das Verhalten seines Sohnes nicht, überließ aber die Maßregelungen weitestgehend seiner Frau, die mit der Erziehung der Jungen vertraut worden war. Erst nach 1972 griff auch Orion nun aktiv ein, um seinen rebellischen Sohn zu zügeln. Die Zeit im Grimmauldplatz Nr. 12 waren von Gewalt, Missbrauch, Kälte und Härte geprägt. Sirius und Regulus wurden weiterhin dazu erzogen und gedrillt, perfekte, kleine Reinblutprinzen zu sein und wer nicht gehorchte oder zu schwach war, wurde bestraft.

Der Auslöser für das härtere Durchgreifen war die Flucht von Cousine Andromeda, die nach seinem ersten Schuljahr - ohne ihn einzuweihen; sie hatte sich ganz normal von ihm verabschiedet - mit einem muggelstämmigen Mann durchbrannte und nicht zur Familie zurückkehrte. Ein Skandal, der die Blacks schwer erschütterte. Familienräte wurden einberufen, denen die Kinder nicht immer beiwohnen durften. Aber spätestens, wenn sie zu Tee oder Essen zurück an den Tisch mit den Erwachsenen durften, war eines klar: etwas in dieser Art durfte nicht wieder passieren. Die Blacks durften nicht riskieren, ihr Gesicht zu verlieren. In der Öffentlichkeit musste das Bild aufrechterhalten werden, dass die Blacks weitestgehend perfekt waren. Andromedas Tat hatte sie nicht nur zur Blutsverräterin gemacht, sondern auch die gesamte Familie beschmutzt - das war es, was man Sirius eintrichterte. Zu diesem Zeitpunkt hatte er längst begonnen, die Worte seiner Familie zu hinterfragen und auch hier bissen sich eigene Gedanken mit denen, die man ihm in den Kopf legen wollte: wenn seine Fingerspitzen über den Brandfleck im Stammbaum strichen, wo einst Andromedas Gesicht und Name geprangt hatten, spürte er keine Enttäuschung und keinen Hass für die Lieblingscousine. Es war eine Mischung aus Ehrfurcht und Neid über diesen Mut, den sie an den Tag legte und er wollte genau wie sie sein - nein, noch viel mutiger!

Nachdem James, Peter und Sirius erfahren hatten, dass ein Mitglied ihrer Runde ein haariges Geheimnis hatte, wurde er im ersten Moment von all den Vorurteilen und Schauergeschichten seiner Familie heimgesucht. Sirius war mit der Werwolf-Information überfordert und wusste erst nicht, wie er reagieren sollte. Es war James, der ihm erneut vor Augen rief, dass es Remus war. Hatte er ihn nicht all die Jahre gemocht und geschätzt und gerne Zeit mit ihm verbracht? Ja. Hatte er da gewusst, dass er ein Werwolf gewesen war? Nein. Hatte sich die Freundschaft zu ihm irgendwie anders angefühlt, als die zu James und Peter? Nein. James half ihm dabei, zu erkennen, dass Remus sich zwar bei Vollmond verwandelte, aber die restliche Zeit ein normaler Zauberer war. Vor allem aber: sein Freund.

Es brauchte ein paar Vollmonde, bis Sirius die Nachricht vollständig verdauen konnte. Doch dann war er Feuer und Flamme dafür, zu sorgen, dass Remus diese furchtbaren Nächte nicht länger alleine durchstehen musste. Die Rumtreiber nahmen es sich zur Aufgabe, sich in Animagi zu verwandeln, in deren Gestalt sie Remus Gesellschaft leisten konnten. Es war ein herausfordernder Zauber, selbst für einen magisch begabten Jungen wie Sirius Black. Mit viel Übung und nach zahlreichen Fehlversuchen gelang es ihnen schließlich. Sirius’ Animagus-Gestalt ist die eines großen, schwarzen Hundes, optisch fast zu verwechseln mit einem Grimm. Er liebt es, sich in dieser Gestalt aufzuhalten und als Hund herumzutollen, selbst wenn manches Mal das Tier in ihm die Zügel in die Hand nimmt, wenn er verwandelt war. (Er wünschte, er würde als Hund nicht so ausflippen, wenn man Stöckchen oder Bälle wirft, aber es ist jedes Mal aufs Neue ein echtes Highlight.) Die geteilten Vollmondnächte brachte die Rumtreiber noch mehr zusammen. Es fühlte sich berauschend an, als Hund an der Seite von Werwolf Remus zu sein. Sirius spürte erstmals andere Gefühle für einen seiner engsten Freunde, konnte diese aber nicht vollständig zuordnen.

1976 veränderte sich Sirius’ Leben für immer. In den Sommerferien wuchs seine Frustration ins Unermessliche. Über den Zwei-Wege-Spiegel, den er von Onkel Alphard geschenkt bekommen hatte, schnappte er immer wieder auf, was für ein tolles Leben sein bester Freund James führte. Er schnappte Fragmente von Euphemia und Fleamont Potter auf, die so viel anders waren und ihm bei jedem flüchtigen Kontakt mehr Freundlichkeit und Liebe entgegenbrachte, als er in all den Jahren von seinen Eltern erhalten hatte. Am Ende war es nur das, was er wollte: Liebe. Hungrig danach suchte er sie bei Regulus, aber der kleine Bruder hatte ihn zu diesem Zeitpunkt fast vollständig aus seinem Leben ausgeschlossen. Sirius ertrug die Zeit zu Hause nur noch mit Alkohol. Er trug Kreacher jeden Abend an, ihm eine Flasche Wein aus dem Keller zu holen und drohte, er würde ihn köpfen, wenn er ihm nicht gehorchte. Angetrunken und voller Selbstmitleid und Hass, ging Sirius nach dem Abendessen erneut auf seine Mutter los. Sollte sie ihn doch bestrafen, es war ihm egal. Er kannte die Magie, die sie wirkte. Er hatte keine Angst mehr vor ihr oder den Schmerzen, die sie brachte.

Am Ende war es nicht sie, die ihn bestrafte, sondern sein Vater: Orion kehrte früher als erwartet nach Hause zurück. Als er mitbekam, wie Sirius sich über das Haus Black und alles, woran es glaubte und wofür es stand, lustig machte, war es sein Zauberstab, der sich auf Sirius richtete und ihn mit einer Härte bestrafte, die er niemals erwartet hatte. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er viele Schmerzen erduldet; er hatte geblutet, er hatte blaue Flecken davon getragen, er hatte sich in den Schlaf geweint, er hatte Narben … und alles ertragen, häufig auch für den kleinen Bruder. Doch in dieser Nacht im Jahr 1976 kam alles anders: Sirius wurde mit dem Cruciatus-Fluch bestraft. Es war das erste Mal, dass seine Eltern einen Unverzeihlichen Fluch gegen ihn eingesetzt hatten. Am Ende überließen sie ihn sich selbst und sperrten ihn bewusstlos und verletzt im Saal ein, als ob er es nicht länger wert war, sich mit ihm abzugeben. Als Sirius wieder zu sich kam, wusste er, dass er nicht länger dort bleiben konnte. Der Einsatz der Unverzeihlichen Flüche änderte alles und er hatte Angst, dass die Überschreitung dieser Grenze früher oder später zu seinem Tod führen könnte. Immerhin kannte er die Geschichten aus seiner Kindheit, wie die Blacks manches Mal mit unliebsamen Familienmitgliedern umgingen und wie viele der Verräter und Aufmüpfigen plötzlich starben oder spurlos verschwanden. Er wollte nie wie sie enden.

Sirius sammelte seine letzten Kräfte und konnte über das Flohnetzwerk entkommen und im Elternhaus seines besten Freundes James Potter Unterschlupf finden. (Sirius verweigert aus diesem Grund bis heute den Einsatz der Unverzeihlichen Flüche: Die Angst ist zu groß, dass er damit eine Tür durchschreitet und ihn dort ein Spiegel erwartet, der ihm zeigt, dass er genau wie seine Eltern ist. Und das will er nicht. Er will nicht wie sie werden, auch wenn es immer häufiger Nächte gibt, in denen er das Gefühl hat, dass er längst wie Orion und Walburga geworden ist und es sich nur nicht eingestehen kann. Es gibt zwei Ausnahmen, in denen er einen Unverzeihlichen Fluch nach 1993 einsetzen würde: Peter Pettigrew und Voldemort. Sirius ist sich bewusst, dass er damit eine Grenze überschreiten und sich selbst verlieren würde - ihn, den guten Sirius, James’ besten Freund und den Jungen, in den sich Remus einst verliebte - aber er wäre bereit, diesen Preis zu zahlen, um James und Lily zu rächen und Harry zu beschützen.)

Es war Euphemia Potter, die mitten in der Nacht von dem Lärm im Wohnzimmer der Potters aufgeschreckt wurde und den verstörten, zitternden Teenager vorfand. Ein Blick genügte und sie verstand sofort, was vorgefallen war. Sirius, der bei dem Ausdruck von Mitgefühl und Schmerz in ihren Augen erkannte, dass er nun in Sicherheit war, brach zusammen.
James’ Mutter kümmerte sich aufopferungsvoll um ihn und half ihm bei der Genesung. Es war Sirius, der sie davon abhielt, das Ministerium einzuschalten, nachdem sie die ganze Geschichte gehört hatte; er war davon überzeugt, dass der Einfluss der Blacks seine Eltern in diesem Fall ohnehin beschützen würden und es keine Ermittlungen gäbe. (Bis heute bereut er, dass er sich gegen eine Meldung beim Ministerium entschieden hat. In Askaban hatte er viele Jahre Zeit, unzählige “Was wäre wenn”-Situationen durchzuspielen und diese Nacht der Flucht und die Zeit danach ging er immer wieder gedanklich durch. Hätte er Regulus retten können, wenn er mit ihm geflohen wäre? Wenn er zurückgekommen wäre? Wenn er das Verbrechen seiner Eltern gemeldet hätte? Es bringt Sirius um, dass er darauf keine Antworten erhalten kann.)

Euphemia und Fleamont Potter erklärten sich bereit, Sirius aufzunehmen und sich bis zu seiner Volljährigkeit um ihn zu kümmern. Er erhielt ein eigenes Zimmer im Haus der Potters und wurde zum ersten Mal Teil einer richtigen Familie. Das war alles, was er all die Jahre gewollt hatte: Liebe. Und die Potters hatten genug davon, um auch ein weiteres Kind im Haushalt damit zu versorgen, selbst wenn es nicht per Blut zur Familie gehörte.
Vielleicht lag es daran, dass er nie eine Mutter hatte, bei der er sich sicher gefühlt hatte, aber Sirius baute eine sehr innige und vertrauensvolle Beziehung zu Euphemia - die er immer nur Effie nannte - auf. Als ob er ihr für immer dafür dankbar war, dass sie ihn in dieser Nacht nicht abgewiesen, sondern mit offenen Armen und viel Verständnis empfangen hatte. Ihr ist es zu verdanken, dass Sirius ganz langsam zu lernen begann, erneut Erwachsenen zu vertrauen und zu erkennen, dass nicht alle schlechte Absichten hatten.

Durch das Sicherheitsnetz, das die Potters rundherum um ihn zu bilden schienen, konnte Sirius die Nachricht über seine Verbannung und Enterbung einigermaßen mit Fassung ertragen. Der Schock saß trotz allem tief. Niemals hatte er damit gerechnet, dass seine Eltern so weit gehen würden. Effie und Fleamont versicherten ihm, dass er sich keine Sorgen um die Zukunft machen müsste und sie ihn unterstützen würden. Sirius war dankbar für ihre Hilfe. Er hatte nicht vor, zu seiner Familie zurückzukehren. Aber er erkannte erst in diesem Moment, nachdem alle Brücken niedergebrannt worden waren, dass er damit nicht nur seine Eltern verloren hatte, sondern auch endgültig seinen kleinen Bruder Regulus.
Mit Hilfe der Potters konnte er einen sicheren Kontakt zu seiner Cousine Andromeda herstellen - nun waren beide verstoßene Kinder und ausgebrannte Namen in der Geschichte der Blacks. Sirius lernte auf diesem Weg das erste Mal Andromedas neue, eigene Familie kennen und obwohl sie ihm die Möglichkeit gab, zu ihnen zu kommen und bei ihnen nach dem Schulabschluss zu leben, lehnte Sirius das Angebot ab: Er wollte in der Nähe der Rumtreiber bleiben, weil er wusste, dass dies eine innige Freundschaft war, die über das Ende der Schulkarriere hinaus anhalten würde. (Und da waren noch mehr Gefühle, die ihn hielten, die er aber zu dem Zeitpunkt vollständig verdrängte.)

In Anwesenheit von Effie und Fleamont hatte er sich weitestgehend mit Gefühlsausbrüchen zurückgehalten; zu tief war es in ihm verwurzelt, dass Tränen und Schwäche zu weiteren Bestrafungen führen würden, dass er nicht einmal nach diesem traumatischen Erlebnis in der Nähe der Potters seine Gefühle voll und ganz offenlegen konnte. Erst bei der ersten Begegnung mit Andromeda brachen die Schrecken der Fluchtnacht und die Verbannung vollständig aus ihm heraus. Er klammerte sich weinend an seine Cousine. Jahrelang hatte er so mutig wie sie sein wollen, sie in ihrem Mut sogar noch übertreffen wollen. Mit einem Mal war er wieder ein kleines Kind in ihren Armen, das nicht verstand, wieso ihm all das angetan worden war und das Angst vor einer Zukunft hatte, die nicht so aussehen würde, wie man sie ihm von Kindesbeinen an aufgemalt hatte. Vor allem aber sorgte er sich um Regulus, den er bei den Eltern zurückgelassen hatte. Angst und Schuldgefühle und Hass (auf die Eltern und sich selbst) wüteten in dem Teenager.

Sirius’ Gefühlsleben war weiterhin ein Fass mit explosivem Inhalt - ein Funke hätte genügt, um alles in die Luft zu jagen. Ein Funke, der im sechsten Schuljahr von Severus Snape, einem verhassten Mitschüler aus Slytherin, kam. Er war den Rumtreibern schon länger ein Dorn im Auge und Sirius wollte ihm ein für alle Mal eine Lektion lehren. Er dachte nicht viel darüber nach, verschwendete keinen einzigen Gedanken an mögliche Konsequenzen oder dass sein Plan nach hinten losgehen könnte, sondern wollte einfach nur, dass Snape den Schrecken seines Lebens erfuhr. Nur so, erhoffte sich Sirius, würde er endlich lernen, dass er die Rumtreiber in Ruhe lassen sollte. Aber es war mehr als das, auch wenn Sirius es zu diesem Zeitpunkt nicht vollständig begriff: Snapes abfällige Bemerkungen erinnerten ihn unweigerlich an die Herabsetzungen seiner Mutter und er wollte seinen Mitschüler verletzen, wie er eigentlich sie verletzen wollte. Snape sollte um sein Leben fürchten. Er sollte Todesängste durchstehen müssen, wie Sirius sie unter seinen Eltern hatte. Er entschied sich, dass keiner der üblichen Streiche der Rumtreiber ausreichen würde. Die Lektion musste größer und schauriger sein. Am Ende lockte Sirius seinen verhassten Rivalen in einer Vollmondnacht in die Heulende Hütte - dorthin, wo Remus sich immer für seine Verwandlungen aufhielt. Da er mit eigenen Augen gesehen hatte, wie furchterregend eine Werwolfverwandlung sein konnte und er Snape zutiefst verstören wollte, stand sein Plan fest.

Am Ende war es James zu verdanken, dass Severus in letzter Sekunde gerettet werden konnte. McGonagall und Dumbledore erfuhren von dem Vorfall. Sie sprachen nicht mit anderen Lehrkräften darüber, um Remus’ Geheimnis aufrechtzuerhalten, konnten Sirius’ leichtsinnigen und dummen Fehltritt aber auch nicht ungeschehen lassen. Zur Strafe wurde Sirius Black als Treiber aus dem Quidditch-Team geworfen und kehrte in seiner restlichen Schulkarriere nicht zurück ins Team. Die Gerüchteküche brodelte. Angeblich hätten die Lehrkräfte ihn bei einem geplanten Streich in Dumbledores Büro erwischt und deswegen so hart durchgegriffen, tuschelten die Mitschüler. Niemand erfuhr den wahren Grund. Für Sirius war es gefühlt die nächste Verbannung, die ihn einholte. Dazu kam die Sorge, dass er seine Freunde verlieren könnte. Er hatte bereits eine Familie verloren, er konnte nicht noch eine weitere verlieren. Er wusste jetzt, dass er zu weit gegangen war. Er bereute es. Er entschuldigte sich hundertfach und so lange, bis sie ihm verziehen. Doch die Sorge blieb, dass er damit - vor allem in seiner Beziehung zu Remus - etwas kaputt gemacht hatte, was sich nie wieder reparieren lassen würde.

Das Chaos rund um den Snape-Streich hatte Sirius zumindest eines deutlich gezeigt: er wollte Remus nicht verlieren. Nicht nur, weil er ihm ein wichtiger Freund geworden war, sondern auch, weil er mehr empfand. Am Ende wagte er den ersten Schritt und gestand Remus seine Gefühle - nachdem es einen leicht angetrunkenen Kuss gegeben hatte. Zum ersten Mal hatte sich der so selbstbewusste Sirius Black Mut antrinken müssen, um keinen Rückzieher zu machen. Zu seiner Erleichterung stellte sich heraus, dass Remus ähnlich für ihn empfand. Die beiden gingen eine lockere Beziehung ein, darauf bedacht, dass die restlichen Freunde nicht davon erfuhren. Die Sorge war zu groß, dass sich dadurch etwas in der Rumtreiber-Dynamik verändern würde. Weder Remus, noch Sirius wollten das riskieren und entschieden sich für eine Liebe in den Schatten und abseits fremder Blicke.

1977 ereilte Sirius der nächste Schicksalsschlag: Alphard Black, Sirius’ Patenonkel und liebster Onkel, starb überraschend. Im Testament stand Sirius’ Name als Erbe seines Vermögens und Eigentums. Für Sirius fühlte es sich an, als ob Alphard ihm damit ein letztes Zeichen geben wollte, dass er niemals zur Familie Black zurückkehren sollte. Er hatte ihm ein finanzielles Polster geschaffen, mit dem er unabhängig bleiben könnte, selbst wenn er nach dem Abschluss nicht direkt eine Ausbildung beginnen wollen würde. Das Geld gab ihm zwar eine dringend benötigte Sicherheit, aber am Ende wollte er nur eine einzige Sache aus Alphards Besitz aus vollstem Herzen: das alte Motorrad, an dem sie bei jedem von Sirius’ Besuchen gearbeitet hatten und das Alphard damals nur - mit viel Aufwand verbunden - besorgt hatte, nachdem Andromedas Briefe über Ted Tonks’ Motorrad eine unbändige Liebe für diese Transportmittel in dem jungen Sirius wachgerufen hatten. Alphard hatte dem Jungen, der manchmal mit einem frischen, blauen Auge in den Ferien bei ihm aufgetaucht war und bei der Begrüßung manchmal noch nicht bereit gewesen war, angefasst zu werden, eine Freude bereiten wollen. Sirius weiß das rückblickend. Mittlerweile weiß er, dass Alphard nie zufällig ein Motorrad gehabt hatte, sondern eines für ihn besorgt hatte, um seinen unruhigen, geschundenen Geist in den wenigen Stunden abseits des Grimmauldplatz Nr. 12 zu beschäftigen und ihn glücklich zu machen.

Anfang 1978 gingen Remus und Sirius in ihrer Beziehung den nächsten Schritt. In vertrauter Runde machten sie die Beziehung vor ihren Freunden offiziell. Das Versteckspiel war vorbei. Sirius gelang es erstmals, sich eine Zukunft ganz ohne die Black-Familie auszumalen, ohne, dass er dabei ein klammes Gefühl in der Brust spürte. Nachdem sich abzeichnete, dass James eine Auroren-Ausbildung beginnen würde, stand damit auch automatisch Sirius’ Weg nach Hogwarts fest. Er würde seinen besten Freund bis ans Ende der Welt begleiten, da würde er ihn bestimmt nicht alleine ins Ministerium gehen lassen. Der Wunsch, als Auror Gutes zu tun, wurde mit jeder schlechten Nachricht in der Zeitung und jeder flüchtigen Begegnung mit Familienmitgliedern nur noch stärker. Daher zögerte er auch nicht, sich dem Orden des Phönix anzuschließen und Dumbledores Kampf gegen den Dunklen Lord und dessen Gruppierung - die Todesser - zu unterstützen. Er wusste, dass es gefährlich war, war aber so von sich selbst überzeugt, dass er glaubte, er sei unantastbar und nichts und niemand könne ihm schaden. Die schlimmen Dinge, die passierten nur den Anderen.

Der Ausbildungsbeginn im Ministerium stellte sich für Sirius als äußerst holprig heraus. Der Name Black war bekannt und auch wenn man seiner Familie nie offiziell etwas nachsagen konnte, gab es Gerüchte und Vorurteile. Er sah sie in den Augen der Auroren, die er an seinem ersten Tag kennenlernte und er hörte selbst nach drei Jahren noch immer das Tuscheln, wenn sein Nachname fiel. Sirius weiß, dass sie ihm nicht vertrauten und dass seine damaligen Anstrengungen, sich zu beweisen, nichts geändert hatten. Viele seiner Kollegen warteten nur darauf, dass er scheiterte oder sich einen Fehler erlaubte und als 1981 die Anschuldigungen gegen ihn aufkamen, fühlten sie sich darin bestätigt; sie hatten es immer gewusst. Sirius’ Start ins Berufsleben war somit alles andere als optimal. Und als wäre das nicht bereits schlimm genug gewesen, verlor er nach wenigen Wochen seinen Ausbilder, der bei einem Einsatz ums Leben kam. Sirius wurde daraufhin Alastor Moody zugewiesen, mit dem er zumindest über den Orden bereits Kontakt gefasst hatte. Damals ahnte er noch nicht, wie wichtig ihm diese Beziehung eines Tages werden würde. Im Laufe der dreijährigen Ausbildung unter Moody wurde er von einem der fähigsten Auroren - wenn nicht sogar: dem fähigsten Auroren - Großbritanniens ausgebildet und konnte sehr viel von ihm lernen. Moody blieb am Ende aber nicht nur das, sondern wurde für Sirius vor allem zu einer Art Vaterfigur, zu dem er vor allem nach dem nächsten Schicksalsschlag im Jahr 1978 aufblickte.

Sirius hatte gedacht, dass er nach achtzehn Jahren Leben als Black wusste, was Schmerz bedeutete, aber er hatte sich getäuscht. Der Tod von James’ Eltern war einer der einschneidendsten Momente in seinem Leben. Die beiden waren für ihn innerhalb kürzester Zeit zu wichtigen Bezugspersonen geworden. Als er von ihrem Tod erfuhr, kümmerte er sich - gemeinsam mit den Rumtreibern, zu denen nun auch Lily Evans gehörte - um seinen besten Freund. Sirius versuchte, stark für James zu sein. Ihn zu trösten. Er ließ sich nicht anmerken, dass es sich auch für ihn anfühlte, als ob er Eltern verloren hätte - schon wieder. Dieses Mal aber welche, die gut zu ihm gewesen waren. Erst als Sirius erkannte, dass James bei Lily & Co. in guten Händen war, zog er sich zurück. Tauchte regelrecht unter. Erst mehrere Stunden später kehrte er mitten in der Nacht zu Remus zurück: betrunken und dreckig und offenbar war er in eine Schlägerei verwickelt gewesen. In dem Moment, als er den ersten Augenkontakt zu Remus herstellte und wusste, dass der ihn sah - wirklich sah - brach er zusammen. Er weinte, er schluchzte, er fluchte. Da waren so viele Gefühle in ihm, die er nicht erklären konnte, aber er hatte das Gefühl, darin unterzugehen. Er weinte nicht nur um Effie und Fleamont, sondern auch um die Eltern, die er zuvor verloren hatte. Walburga und Orion. Er weinte um Regulus. Um Alphard. Um all die Menschen, die er liebte und die ihn früher oder später alle verließen. Weil es am Ende das war, was man immer für ihn vorgesehen hatte und selbst die Verbannung würde nichts daran ändern: Er war der Erbe der Blacks und diese Position konnte nur ein einzelner Mensch einnehmen; ein Erbe war immer alleine.

Ende 1978 führte Sirius - das erste Mal seit seiner Flucht - erneut ein Gespräch mit seinem kleinen Bruder Regulus. Die Konfrontation der Black-Brüder endete tragisch und mit der Enthüllung, dass der kleine Reggie sich den Todessern angeschlossen hatte und ein Dunkles Mal am Arm trug. Sirius wurde von Schuldgefühlen und Hass zerfressen: Er war nicht da gewesen. Er hätte Regulus’ Schicksal abwenden können. Wieso hatte er ihm das angetan? Nach all den Schmerzen, die er für ihn ertragen hatte, um ihn zu beschützen und all den Bemühungen, für ihn da zu sein, fühlte Sirius sich verraten und hintergangen. Erst weitere Kontakte mit dem kleinen Bruder zeigten, dass er nicht wie ihre Familie war. Dass unter der magischen Tätowierung auf seinem Unterarm noch immer sein kleiner Bruder steckte, der in etwas hineingeraten war, das er nicht alleine bewältigen konnte. Sirius wusste nichts von Regulus’ Bemühungen mit dem Horkrux. Alles, was er sah, war den kleinen Jungen, der nachts nach Albträumen zu ihm ins Bett gekrabbelt war und den er fest an die Brust gedrückt hatte, bis ihre Herzschläge den gleichen Rhythmus gefunden hatten und alles wieder gut war … für den Augenblick zumindest. Sirius bemühte sich, Regulus zu retten, ohne zu erkennen, dass dieser bereit war, sein eigenes Leben aufzugeben, um wiederum den großen Bruder zu beschützen. Sirius hatte das nie gewollt. Er hatte es nie verlangt. Alles, was er je gewollt hatte, war, dass Regulus sich selbst rettete.

Zur gleichen Zeit endete das Liebesglück von Remus und Sirius jäh. Der Auslöser: eine Werwolf-Mission von Dumbledore für Remus, die erste Geheimnisse zwischen die beiden drängte und zur Seite geschobene Probleme an die Oberfläche holte. Es sollte nicht das letzte Mal bleiben, dass ihre Beziehung von Dumbledores Aufgaben auf die Probe gestellt wurde, doch dieses Mal erholten sie sich noch nach kurzer Zeit davon. Eine Aussprache brachte die beiden näher zusammen als je zuvor. Zu Weihnachten überraschte Sirius seinen geliebten Moony mit einer eigenen Wohnung, in der die beiden offiziell in ein gemeinsames Leben starten wollten, auch wenn sie - außerhalb der Rumtreiber - weiterhin die Illusion aufrechterhielten, dass sie “nur” Mitbewohner und Freunde waren; die Zeiten waren nicht bereit für die Liebe zwischen zwei Männern und ihre Gefühle waren ihnen zu wichtig, um zu gefährden, dass sie durch Hass von Außen vergiftet und beschmutzt werden konnte.

Das Luftholen nach den jüngsten Schicksalsschlägen hielt nicht lange an. Das Leben erinnerte Sirius schnell daran, dass sie noch immer im Krieg waren und Verluste ihren Alltag begleiteten. Anfang 1979 erfuhr er über Umwege von dem Tod seines kleinen Bruders Regulus und Sirius verlor den Boden unter den Füßen. Jedes Vorhaben, ihm zu helfen, war fehlgeschlagen. Er war gescheitert. Er hatte ihn nicht retten können. Er hatte Regulus im Stich gelassen. Ein Schmerz, der so viel tiefer ging als der Verlust der Potters, schien ihn regelrecht aufzufressen. Weder Remus noch James konnten verhindern, dass Sirius von dem schwarzen Loch verschluckt wurde, das den einst hellen Stern seines kleinen Bruders beheimatet hatte.
Sirius floh - aus Großbritannien, vor seinen Freunden und der Schuld, die wie ein Schatten aus dem Grimmauldplatz Nr. 12 sickerte und ihn suchte. Niemand würde verstehen, wie er um einen toten Todesser trauern konnte, das wusste er, und er wollte sich nicht erklären. Sirius wollte keinen Trost von Menschen, die nicht wussten, wie es war, ein Black zu sein und zu wissen, eines Tages davon eingeholt zu werden - entweder von einem grausamen Tod oder der Dunkelheit, die ihnen alle in die Wiege gelegt worden war. Sirius stellte den Kontakt zu Andromeda dar, die noch immer versteckt im Ausland lebte. Sie war die einzige Person, die ihn verstehen konnte - und das tat sie. Die beiden trafen sich alleine in Frankreich und schienen für eine Woche gemeinsam von der Bildfläche zu verschwinden; auf Andromedas Drängen hin gab er Entwarnung an seine Freunde, dass es ihm gut ginge, aber er wollte nicht, dass sie ihn suchten. Er brauchte Zeit.

In den Tagen mit Andromeda sprachen sie viel über Regulus. Sie erinnerten sich gemeinsam an ihn. Sie nahmen Abschied von einem Jungen, der keine Chance gehabt hatte, wirklich zu leben und den sie beide im Stich gelassen hatten. Sirius vertraute sich ihr auch mit den Sorgen an, dass er eines Tages wie seine Eltern werden würde, weil er immer wieder Seiten von ihnen an sich entdecken würde, die ihm selbst Angst machten. Dass es Momente gäbe, in denen er sich selbst nicht mehr erkennen würde und er selbst den Menschen gegenüber, die er liebte und ihm am wichtigsten waren, grausam und kalt sein konnte und dazu fähig war, sie zu verletzen. ”Gute Menschen tun das nicht, oder, Andy?”, hatte er sie mit verquollenen Augen gefragt. ”Aber ich bin nicht gut. Das war ich nie. Ich bin ein Black. Und früher oder später holt uns das ein, oder?” Sirius hatte seine Hände geknetet, bis sie rot und gereizt gewesen waren und leise geflüstert: ”Wenn einer von uns beiden die Chance erhält, sich vollkommen von der Familie und dieser Dunkelheit in unserem Blut zu lösen, dann flehe ich Merlin an, dass du es bist, Andy.”

Kurze Zeit später musste die Familie Black den nächsten Verlust verkraften: Orion Black - Sirius’ Vater - starb. Ein weiteres Mal erfuhr er über die Presse davon. Remus’ Blick ruhte auf ihm, wartete darauf, dass er etwas sagte oder reagierte, aber Sirius gab ihm die Zeitung mit emotionsloser Miene zurück, sagte kein einziges Wort und widmete sich seinem Kreuzworträtsel, als ob nichts passiert wäre. Bis heute hat Sirius die Gruft, in der man seine Familie zu Grabe getragen hatte, nie besucht. Regulus war nicht dort, also gab es keinen Grund für ihn dorthin zu gehen.

Im Sommer 1979 schien der Krieg für einen Augenblick die Luft anzuhalten und die Schrecken zogen sich für einige Tage in die Ecken zurück, um ihnen allen zu beweisen, dass es noch Gutes in der Welt gab: Die Hochzeit von James und Lily Potter, der Sirius als Trauzeuge beiwohnte. Regulus’ Tod hatte etwas in ihrem verändert, aber an diesem Tag schien er für einen Moment wieder ganz der Alte zu sein, der mit einem Funken Optimismus in die Zukunft blickte. Wie konnte er auch nicht, wenn zwei der wichtigsten Menschen in seinem Leben so wahnsinnig und mutig genug waren, in diesen Zeiten an eine Zukunft zu glauben? Er wollte das auch. Und er tat es, als er in James’ Augen blickte und wusste, dass alles gut werden würde. Früher oder später. Sie würden den Krieg gewinnen und sie würden gemeinsam alt werden und zusehen, wie es Kinder von James und Lily geben und mit ihnen eine neue Generation von Rumtreibern heranwachsen würde, die ihr Erbe fortsetzen würde. Wenn er in James’ Augen blickte, hatte er Hoffnung. Eine Hoffnung, die er nur wenige Jahre später verlieren würde, wenn er ein letztes Mal in diese Augen sehen würde, denen der Tod jedes Licht geraubt hatte.

Die Auszeit hielt nicht lange an. Der Krieg spitzte sich zu, die Verluste wurden mehr und kamen immer näher. Enge Freunde aus Schulzeiten starben; zu früh aus dem Leben gerissen, grausam von Todessern gefoltert und getötet. Sirius stürzte sich mehr und mehr in Arbeit, aber die kritischen Blicke, die ihn in der Aurorenzentrale trafen, häuften sich. Zu Beginn seiner Ausbildung war er als Black-Spross geduldet gewesen, doch er spürte mehr und mehr die Unruhe, die seine Anwesenheit mit sich brachte und er wusste, dass es Menschen gab, die ihn nicht länger unter den Auroren wollten. Vermutlich war es vor allem der Unterstützung von Moody, Tartarus Proudfoot - James’ Ausbilder - und James Potter selbst (sowie Sirius’ Dickschädel) zu verdanken, dass er nicht irgendwann einknickte und seinen Platz räumte. Jedes Mal, wenn der Name eines ehemaligen Mitschülers in einem Tagespropheten-Artikel erschien und einen Tod ankündigte, schwor Sirius sich, mehr zu geben, mehr Einsatz zu zeigen und für diese Zukunft zu kämpfen, die die Hochzeit der Potters ihm still und heimlich versprochen hatte. Er wollte sie nicht nur für die beiden und die Familie, die sie eines Tages haben würde. Sirius wollte sie - egoistisch, wie er war - auch für sich selbst. Wenn er nach einem langen Tag im Einsatz nach Hause kehrte, ins Bett schlüpfte und von Remus’ Armen umschlossen wurde, wollte er daran glauben, dass sie das für immer haben konnten und das Leid des Krieges sie verschonen würde. Er träumte von einem schrecklich langweiligen Leben mit Moony, denn das würde bedeuten, dass da nichts mehr in der Welt war, das ihnen etwas anhaben konnte.

Im Sommer 1980 - fast ein Jahr nach der Hochzeit von James und Lily - wurde die Gruppe der Rumtreiber um ein Mitglied vergrößert. ”Ein kleines Bambi”, wie Sirius scherzhaft, aber auch ehrfürchtig verkündete, als er Harry Potter das erste Mal im Arm hielt. Seine beiden engsten Freunde hatten ihn zum Patenonkel des Jungen auserkoren - oder hatte er sich selbst mehr oder weniger aufgedrängt? Eine Frage, die lachend und ausgelassen bei ein paar Butterbier im Garten von Godric’s Hollow diskutiert wurde, während sie gemeinsam die Geburt und die Veröffentlichung von Moonys Kinderbuch feierten und ein weiteres Mal den Glauben an eine Zukunft festigten, in der Voldemort und die Todesser nicht länger eine Gefahr wären. Sirius klammerte sich wie ein Ertrinkender daran, denn die Realität lauerte mit aufgeschlagenen Zeitungen und knappen Briefen auf jedem Tisch und in jedem Haus. Erst als er mit Remus alleine war - angetrunken und von zu vielen Gefühlen überrumpelt - bröckelte das Lächeln und er wischte sich die Tränen mit einer fahrigen Handbewegung weg. ”Wieso sind die beiden so verrückt, ein Kind in diese Welt zu bringen, Moony?” Sirius hatte Angst. Die ganze Zeit über. Um seine Freunde. Um Moony. Und nun auch noch um Harry.

Die Reihen des Ordens lichteten sich; mehr und mehr Aufträge wurden an die Rumtreiber übergeben und die Gefahr rückte näher und griff nach ihnen. Nur mit Glück waren sie dem Tod wiederholt in letzter Sekunde entkommen, doch für Sirius wurde langsam klar, dass es kein Zufall sein konnte, dass die Todesser ihnen häufig so dicht auf den Fersen waren und von Treffpunkten wussten, über die nur eine begrenzte Anzahl von Phönixen eingeweiht worden waren. Paranoia erfasste Sirius und verschlang seinen nervösen, erschöpften Geist. Sirius glaubte fest daran, dass es einen Spion im Orden geben musste, der Informationen an den Feind vermittelte. Er suchte das Gespräch mit Dumbledore, der seine Bedenken mit noch mehr Wahn fütterte, denn sein ehemaliger Schulleiter hatte ebenfalls einen ähnlichen Verdacht, auch wenn er nicht wusste, wer die undichte Stelle unter ihnen war.
Sirius hielt die Augen offen, suchte überall fieberhaft danach … und fand sie direkt vor der eigenen Nase. Ende 1980 hatten der Krieg, die Verluste und die Sorge ihn so weit zermürbt, dass er in Remus Lupin den Spion vermutete, der mit dem Feind unter einer Decke steckte. Er wollte das nicht glauben, aber die Zeichen waren da - so unübersehbar, dass er sich dafür hasste, dass sie ihm jetzt erst aufgefallen waren. Hatte die Liebe ihn blind gemacht? Moonys ständige Aufenthalte bei Werwolf-Rudeln (von denen er nie wie er selbst zurückkam), seine Geheimniskrämerei, sein Interesse an Sirius’ Missionen, über die er eigentlich mit niemandem reden durfte … und Sirius hatte ihm alles gesagt. Natürlich hatte er das. Es war Moony. Was er tat, mit wem er sich traf, wohin sie gingen - nichts hatte er vor ihm zurückgehalten, weil er ihn liebte. Weil er keine Geheimnisse vor ihm wollte. Nicht vor Moony. Seinem Moony, der doch all seine Schattenseiten kannte und ihn trotzdem liebte, so wie er ihn liebte. Ein Stern, der nie ohne den Mond am Himmel sein sollte.
Wie hatte er nur so blind sein können?

Sirius verlor sich vollkommen in der Annahme, dass Remus der Spion unter ihnen war. Er zog sich zurück - aus der Beziehung und auch aus der Wohnung. Wann immer er konnte, ging er Moony aus dem Weg. Häufig kam er nur noch zum Schlafen oder Essen nach Hause, log bewusst über Einsätze, um den Verräter auf eine falsche Fährte zu locken - ohne zu merken, dass er sich damit selbst belastete, wenn er vorgab, Missionen mit Moody zu erledigen und nur kurz, nachdem er das Haus verlassen hatte, Nachrichten von Moody eintrafen, die deutlich machten: Sirius war gerade nicht mit ihm zusammen. Ungereimtheiten, mit denen er den vermeintlichen Spion verwirren wollte, wurden am Ende zu einem Strick, den er sich selbst unwissentlich um den Hals gelegt hatte. Denn Monate später würde die Frage im Raum stehen, ob Sirius Black sich vor Halloween 1981 auffällig und sonderbar verhalten hatte und es Hinweise gab, dass er sich Voldemort angeschlossen haben könnte und gleich mehrere Menschen aus dem Orden würden zurückblicken und mit “Ja” antworten können.

Voldemorts Blick hatte 1980 nun endgültig die Rumtreiber erfasst: Eine Prophezeiung wurde zur Gefahr für die Potters, allen voran Harry. Er könnte das Kind sein, das den Dunklen Lord zum Sturz bringen würde. Sirius blickte verzweifelt lachend und mit nackter Angst in den Augen auf den kleinen Jungen, den er James und Lily nach der Ankunft von Dumbledore abgenommen hatte. Unmöglich. Nein. Das durfte nicht sein. Erst James, dann Sirius warfen die Möglichkeit in den Raum, dass die Prophezeiung falsch lag und es vielleicht nicht Harry war, über den sie berichtete. Dumbledore erinnerte sie daran, dass es unwichtig war, solange Voldemort daran glaubte. Die kleine Versammlung der Rumtreiber löste sich mit dem Versprechen auf, dass man Sicherheitsvorkehrungen für die Potters treffen würde. Sirius vermied den ganzen Abend Remus’ Blick und gab sich - kaum, dass sie wieder alleine waren - gereizt und distanziert. Je gefährlicher die Lage wurde, umso mehr verlor sich Sirius in dem Wahn, mit dem Feind ein Bett zu teilen. Er wusste, dass es nur eine Frage von Zeit sein würde, bis Remus dem Dunklen Lord von Dumbledores Vorhaben erzählen würde und initiierte das nächste Treffen mit Dumbledore und den Potters alleine - Moony sollte nichts erfahren.

James, Lily und Harry tauchten unter und ihr Leben sollte mit dem Fidelius-Zauber geschützt werden. Es war schnell klar, wer der Geheimniswahrer sein sollte: Sirius. Er war nicht nur James’ bester Freund und Harrys Patenonkel, sondern er war auch jederzeit gewillt, das Geheimnis über ihren Aufenthaltsort mit ins Grab zu nehmen. In letzter Sekunde ging Sirius einem anderen Plan nach: er überredete James und Lily dazu, stattdessen Peter zum Geheimniswahrer zu machen. Damit würde niemand rechnen. Voldemort würde im Dunkeln tappen und sie wären sicher - Harry wäre sicher. James zeigte sich skeptisch über die kurzfristige Änderung ihres Planes, doch Sirius beharrte stolz und energisch darauf, den Bluff mit Peter durchzuziehen - ein fataler Fehler, für den sich Sirius Black den Rest seines Lebens hassen würde.

Der Fidelius-Zauber wurde mit Peter als Geheimniswahrer gewirkt, doch Dumbledore, wie auch Moony und alle anderen engen Vertrauten aus dem Orden wurden darüber unterrichtet, dass Sirius das Geheimnis um den Aufenthaltsort der Potters in sich verbarg. Mit dem Wissen, dass James, Lily und Harry nun in Sicherheit waren, entspannte Sirius sich in Remus’ Nähe wieder etwas mehr. Die Zurückhaltung blieb jedoch. ”Ich hab dich überlistet”, dachte Sirius triumphierend, wenn er am Esstisch Moony gegenüber saß und ein kleines Lächeln seine Mundwinkel umspielte. ”Dieses Mal war ich dir einen Schritt voraus, Moons.”
Und damit hatte sie der Alltag als Helden in einem Krieg zurück und vertuschte die Risse ihrer Beziehung und dass sie längst zu zwei Fremden geworden waren, die sich hinter den Masken von Liebenden versteckten. Die lächelten, obwohl es nichts mehr gab, das sie glücklich stimmte, weil einer von ihnen - Sirius - noch immer mit beiden Beinen in einer falschen Annahme feststeckte, die jeden seiner Gedanken und Gefühle verzerrte. Aufträge, Recherchearbeiten, Treffen, Missionen. Die Stunden schmolzen dahin und es blieb ihnen kaum Zeit, um innezuhalten und auf sich - auf das zwischen ihnen - zu blicken. Aber Sirius war nicht blind. Er war nicht herzlos. Er spürte den Schmerz. Die Einsamkeit. Die Sehnsucht nach einem Mann, der bei ihm war und gleichzeitig so weit weg. Er wusste nicht, wo sein Moony war, was mit ihm passiert war und wann er ihn verloren hatte. Wieso er ihn auch verloren hatte, wie alle anderen.

Wenn er nachts im Bett lag, Rücken an Rücken zu Remus, weil sie sich nicht mehr wie früher berühren konnten und wollten, hatte Sirius das Gefühl, an seinem gebrochenen Herzen zu ersticken. Die Tränen sickerten in sein Kissen, aber er sagte nichts, kein einziges Wort. Voldemort sollte nicht erfahren, dass die Kräfte des Ordens langsam erschöpft waren, dass Sirius Black schwach wurde und selbst wenn Moony nicht der Spion war … er konnte es sein. Und diese Wahrscheinlichkeit alleine war zu gefährlich. Sirius musste auf James aufpassen. Er musste auf Lily und Harry aufpassen. Ein gebrochenes Herz war nichts gegen das Überleben seiner Freunde. Das war es, was er sich einredete, wann immer er die Hand nach Moony ausstrecken wollte und sie in letzter Sekunde doch zurückzog, um sich daran zu erinnern, dass es nicht sicher war. Dass Remus nicht sicher war. Er konnte ihm nicht vertrauen. Nicht mehr.

Anfang 1981 schnürte Sirius den Strick um seinen Hals enger zu: Die Wohnung von Remus und Sirius lag im Muggelteil von London. Bei jedem Einkauf mussten sie sich unter die nicht-magische Bevölkerung mischen und Sirius begann sie zu hassen. Nicht auf die Art und Weise, wie seine Familie es immer getan hatte. Er beneidete sie. Dafür, dass sie ein normales, friedliches Leben führten und keine Ahnung hatten, was sich in der magischen Welt abspielte. Missgunst vergiftete ihn. Was er nicht sagte, war: dass er erstmals mit ihnen tauschen wollte und sich nach diesem einfachen Leben sehnte. Er hätte seine Magie und sein Wissen über diese Welt jederzeit aufgegeben, wenn er eine schlichte Zukunft mit Moony haben konnte - dem Mann, den er liebte, nicht dem Spion. Immer häufiger rutschten Sirius muggel-kritische Kommentare heraus, selbst in Anwesenheit von Remus oder anderen Ordensmitgliedern. Später würden sich viele Menschen, die mit ihm Kontakt hatten, daran erinnern, wenn die Presse darüber berichtete, dass er angeblich zwölf Muggel getötet haben sollte.

Als Moony im Oktober 1981 für einen erneuten Werwolfauftrag verschwand, wurde Sirius von der erdrückenden Erkenntnis heimgesucht, dass das nun sein Leben war. Dass er um die Sicherheit seines besten Freundes bangen musste. Dass er glaubte, dass der Mann, den er liebte, sie alle verraten und die Seiten gewechselt hatte, sich am Ende für ein echtes Rudel und gegen die Rumtreiber entschieden hatte.
Sie hatten von einer gemeinsamen Zukunft geträumt - wann hatte Moony das alles weggeworfen? ”Was habe ich falsch gemacht, dass du uns aufgegeben hast?”, fragte sich Sirius im Stillen. Zwischen zwei Feuerwhiskey und einer leeren Wohnung wurde sein Herz zu einer klaffenden, großen Wunde in seiner Brust und er konnte an nichts anderes denken. Er vermisste James. Er vermisste seinen Moony. Die Kinder, die sie einmal gewesen waren. Es gab niemanden, mit dem er reden konnte und dem er noch genug vertraute.

Erinnerungen suchten ihn wie Gespenster heim. Von Marlene und Dorcas, albern lachend im Gemeinschaftsraum, ihm neckend die Zunge rausstreckend. Und dann löste sich dieser Moment auf und er sah ihre Leichen vor sich. Marlene, die ausgesehen hatte, als ob sie einfach nur schlief, eingerahmt von den Körpern ihrer aufgereihten, toten Familie - alle hingerichtet, die gesamte Familie McKinnon. Und Dorcas … Selbst wenn er die Augen schloss und ein ganzes Glas Feuerwhiskey trank, konnte er noch die kleinen, vibrierenden Körper der Fliegen spüren, die aufgescheucht gegen sein Gesicht gestoßen waren, als er sie umgedreht hatte; das Blut hatte die Tiere angelockt und sie surrten und brummten und das Geräusch war immer lauter, immer einnehmender geworden, während er zur Seite gekrochen war und sich in einer Ecke übergeben hatte. Er dachte an Gideon und Fabian Prewett und wie sie nach einem der ersten Treffen, als die Lage noch ruhiger gewesen war, gemeinsam in einem Pub versumpft waren. Moonys leuchtende Augen und dieses kleine verzückte Lächeln in seinen Mundwinkeln (oh, er hätte ihn so gerne geküsst in diesem Moment), während Sirius voller Stolz jeden einzelnen Streich aufzählte, der die Signatur seines Freundes gehabt hatte. Die Prewetts hatten bellend und herzlich gelacht und sie dann mit ihren eigenen Geschichten über Schabernack und Unfug aus Schulzeiten übertroffen. Er dachte daran, wie sie immer lauter gelacht und mit den Händen auf die Oberschenkel und Tische geschlagen hatten, je mehr Whiskey sie in sich hineingekippt hatten. Und er dachte an ihr Begräbnis und an Molly Weasleys ersticktes Schluchzen, so laut und klar im Kopf, dass er sich die Hände auf die Ohren drückte, aber es ging nicht weg.
Er dachte an James, Remus und Peter. Prongs, Moony und Wormtail. Die Bilder der glücklichen Kinder, die sie zu Hogwarts-Zeiten gewesen waren und die von einem Leben - Seite an Seite - geträumt hatten, waren so weit weg - so verflucht weit weg … Sirius bekam sie nicht mehr zu fassen. Er verlor sie. Er verlor sich.

James und Remus hatten immer gewusst, wie man mit Sirius umgehen musste, wenn er von seinen Launen gepackt wurde, die seit Regulus’ Tod häufiger und intensiver gekommen waren - aber sie waren beide nicht da. Der Rest des geschrumpften Ordens beobachtete Ende Oktober einen gereizten, herrischen Sirius Black, der ein Treffen frühzeitig und mit wildem Blick verließ, nachdem er selbst gegen erfahrenere Mitglieder und Dumbledore persönlich ausfallend geworden war. Moody versuchte mit ihm zu reden, aber Sirius blockte ihn direkt ab und verschwand. Nur seine engsten Freunde wussten, dass Sirius immer dann wie ein wilder Hund um sich schnappte, wenn er unvorstellbare Qualen litt und das Gefühl hatte, in seinen eigenen Gedanken unterzugehen und zu ertrinken. Aber niemand von ihnen war da, um es zu sehen. Niemand war da, um zu verstehen, was in ihm vorging und um ihn in eine Umarmung zu ziehen, die geballten, zitternden Fäuste ignorierend, die am Ende nur sich selbst verletzen wollten, aber sich niemals gegen jemand anderen gewandt hätten.
Als die Tür mit voller Wucht zugeschlagen wurde und er den Rest des Ordens aufgeschreckt zurückließ, hatte er den Strick um seinen Hals mit eigenen Händen ein weiteres Mal fester zugezogen.

Die Wohnung war leer an Halloween, zu leer für Sirius, um es zu ertragen. Er wusste, dass er nur in Notfällen zu James reisen sollte, um die Potters nicht unnötig zu gefährden, aber es war Halloween. In den Jahren zuvor war das immer ihr Tag gewesen, zu dem sich James und Sirius schon Monate im Vorfeld Gedanken über Kostüme gemacht hatten. Dieses Mal nicht bei ihm zu sein, fühlte sich falsch an. Sirius wusste, dass genug Zeit für einen kurzen Besuch bei ihnen war, bevor er in den späten Abendstunden Arthur Weasley bei einem Patrouillengang durch Hogsmeade begleiten sollte.
Sirius spürte, wie Leben in ihn zurückkehrte. Wie die Last der vergangenen Monate leichter auf den Schultern wurde. Die schmerzenden Muskeln im Gesicht, als er endlich wieder die Mundwinkel zu einem Lächeln anhob, als er die Manteltaschen mit Süßigkeiten füllte - für Harry. Er würde James wiedersehen. Lily. Das kleine Bambi, dem er mit Schokogalleonen erneut in Erinnerung rufen konnte, dass er definitiv sein Lieblingsonkel war. Natürlich würde Lily ihn maßregeln und versuchen, ihm die Taschen zu leeren, bevor er seine zuckersüße Fracht an den kleinen Harry übergeben könnte - und das war in Ordnung. Merlin, er sehnte sich danach, von ihr im Spaß gescholten zu werden. Er vermisste es, so wie er James vermisste, jeden einzelnen Tag, seit der Fidelius-Zauber gesprochen worden war.

Sirius sah es schon von Weitem. Dieses dunkle, klaffende Loch, das wie eine offene Wunde das Haus der Potters zierte; sein Herz setzte aus, lange bevor er Hagrid im Garten des kleinen Cottages erblickte. ”Das ist nicht richtig”, schoss es Sirius durch den Kopf. ”Unmöglich, das kann nicht sein.” Hagrid sollte nicht hier sein. Niemand sollte hier sein. Das Haus sollte geschützt sein. Unauffindbar. Sicher. Er hatte selbst dafür gesorgt.
Er schrie James’ Namen, noch bevor er vom Motorrad gestiegen war. Da kam keine Stimme aus den Trümmern, die antwortete. Vielleicht hatte er es nicht gehört, vielleicht schlug sein Herz zu laut, vielleicht … Sirius brüllte den Namen seines besten Freundes nun aus vollem Hals und rannte zum Haus. Hagrid - ebenso überrascht von Sirius’ Auftauchen, wie er von der Anwesenheit des Halbriesen - versuchte ihn aufzuhalten und riet ihm, nicht ins Haus zu gehen, aber als Sirius den weinenden Harry in Hagrids Armen sah … er wusste es. Nie hätten sie - nicht jetzt - nicht nach … nein.

Die Tür stand weit offen. Der Oktoberwind hatte Blätter in den Flur geweht, aber es war der Teppich, der ihm ins Auge stach. Das Chaos, in den man ihn versetzt hatte. Wie seltsam das war. Dieses kleine Detail, das nicht passte und an dem er sich festbiss, als ob er nicht vor wenigen Herzschlägen das zerstörte Obergeschoss vom Himmel aus gesehen hatte und wusste, dass … nein. Sirius stand auf der Türschwelle und starrte auf den Teppich und er dachte daran, wie häufig Lily ihn daran erinnert hatte, jede noch so kleine Falte zu beseitigen, wenn er mal wieder zu schnell ins Haus gepoltert war, weil er es nicht erwarten konnte, James zu sehen. Irgendwann würde jemand darüber stolpern und sich verletzen, hatte sie ihn ermahnt, und die Potters hatten geschlossen auf Sirius getippt - selbst Harry hatte glucksend Laute ausgestoßen, die mit viel Fantasie wie Padfoot geklungen hatten, der kleine Verräter. Lily hätte diesen Teppich niemals so liegen lassen. Sirius starrte ihn an, unfähig sich zu bewegen und er wartete darauf, dass sie kam, dass sie ihn ermahnte, aufzupassen und nicht zu stolpern, ehe sie lachend mit Harry im Arm Richtung Wohnzimmer ging und ihm sagte, er solle ihr folgen, sie würden alle nur auf ihn warten. Aber Lily kam nicht. Und Harry war nicht bei ihr, denn Hagrid - Hagrid hatte ihn doch.

Die Stille im Haus war erdrückend. Das war nicht richtig. Es passte nicht. Sirius hatte dieses Haus nie so erlebt. Das Fehlen von Gelächter, Radiomusik und James’ Stimme verwandelte sich in ein Gewicht, das auf seine Brust drückte. Er konnte spüren, wie es seine Knochen zum Ächzen brachte und Sirius wünschte sich, es würde ihn zermalmen und seinen Brustkorb zerquetschen. Er wünschte sich, es würde sein Herz vernichten und ihn umbringen. Hier und jetzt. Denn er wollte sterben. Er wollte sterben, als er in das Haus trat und sein Blick auf James fiel, der mitten auf der Treppe lag, reglos, das Gesicht zum Nachthimmel gewandt, der sich durch die Ruinen des Daches wie ein Leichentuch über ihnen ausgebreitet hatte. Die Brille war ihm von der Nase gerutscht. ”Du kannst so doch gar nichts sehen, Prongs”, schoss es Sirius im ersten Moment durch den Kopf; dieser dumme, alberne Gedanke, während er den Leichnam anstarrte und wartete, dass etwas passierte. Irgendetwas. Denn das konnte nicht echt sein. Unmöglich. Das durfte nicht sein. Jeden Moment würde Remus hinter ihm auftauchen und ihn daran erinnern, dass er einfach nur ”Riddikulus!” sagen musste, damit das Bild sich auflöste und verschwand. Das hier war nicht real. ”Ein Irrwicht, erinnerst du dich? Er zeigt dir deine größte Angst, aber du darfst nicht vergessen, dass es nicht echt ist, Pads. Lass dich davon nicht einschüchtern. Du weißt, dass du stärker bist.” Er hatte Remus’ Stimme klar und deutlich im Kopf und seine Lippen bewegten sich, folgten der Anweisung einer alten Erinnerung, aber kein Laut kam aus seiner Kehle, denn Sirius begann zu begreifen, dass all das hier real war.

”Nein” - es war dieses eine Wort, das er flüsterte, immer und immer wieder, während er sich an James vorbei nach oben schob. Er rief Lilys Namen und er wusste nicht einmal, wieso, denn wenn sie hier wäre, wenn sie am Leben wäre, hätte sie Harry niemals aus den Händen gegeben. Sirius fand sie im verwüsteten Kinderzimmer, flach auf dem Boden liegend, eine Hand nach Harrys Kinderbettchen ausgestreckt, die Fingerspitzen gegen das Holz gepresst, als ob sie versucht hatte, ihn ein letztes Mal zu berühren, bevor der Tod sie fortgerissen hatte.
Ein Geräusch durchschnitt die Stille des Hauses. Es war ein Schrei, ein zerfetzter Laut wie von einem verwundeten Tier. Sirius begriff nicht einmal, dass er es war, der schrie. Der schrie und weinte und immer wieder ”Nein” rief, während er James kalten Körper an sich zog und in den Armen wog und die Erkenntnis ihn mehr und mehr einholte, was geschehen war. ”Es wird alles gut, Prongs”, flüsterte er gegen James’ widerspenstiges Haar, so wie dieser es in den Jahren zuvor immer getan hatte, wenn Sirius aufgebracht zu ihm ins Bett gekrabbelt war. ”Es wird alles gut.” Dieser furchtbare Glaube an eine gute Zukunft. An Hoffnung. Dinge, die Sirius in James’ Augen am Tag der Hochzeit gesehen hatte und er hatte sie geglaubt, wieso war er so dumm gewesen und hatte wirklich daran geglaubt? In jener Nacht war jeder Gedanke an Hoffnung mit James Potter gestorben.

Es war das wimmernde Heulen, das Sirius aus seinem Zustand riss; ein Knopf legte sich in ihm um und verdrängte alles, was er wirklich fühlte; der Schockzustand setzte ein, betäubte ihn, brachte ihn dazu, zu funktionieren, denn er musste funktionieren. Für Harry. Er hatte es Lily und James versprochen.
Sirius folgte dem Schluchzen zurück nach draußen und obwohl der kleine Harry ihn erkannte und die speckigen Hände nach ihm ausstreckte, weigerte Hagrid sich, ihn auszuhändigen. Niemals hätte er so schnell aufgegeben, wenn nicht … Peter. Bis zu dieser Sekunde hatte er sich keine Gedanken darüber gemacht, wie das alles hatte passieren können, aber jetzt brach die Erkenntnis wie eine Welle über ihn herein. Es gab keine andere Möglichkeit. Peter hatte sie verraten.
Ohne weitere Zeit zu verschwenden, überließ Sirius Hagrid nicht nur Harry, sondern auch sein verzaubertes Motorrad. Es gab keinen Abschied, kein wirkliches Lebwohl. Sirius hatte keine Ahnung, dass er Harry erst in zwölf Jahren wiedersehen würde. Als er ging, glaubte er daran, dass er sich später um seinen Patensohn kümmern und ihn zu sich holen würde, aber erst … erst musste er eine Ratte töten.

Zwei Tage lang folgte Sirius jeder Spur, die er zu Peter finden konnte. Der Einsatz von Magie und Padfoots guter Nase führten ihn schließlich nach Muggellondon, wo er die kleine Ratte ausfindig machen konnte. Er sah in Peters Gesicht die Panik und Verzweiflung, aber da war kein Funke Mitgefühl mehr in Sirius übrig. Dieser Mensch hatte Lily und James auf dem Gewissen. (”Nein, du warst es. Du hast James dazu überredet, Peter zum Geheimniswahrer zu machen. Es war deine Schuld.”) Sirius wusste, dass er ihn töten würde; es gab keinen anderen Ausgang dieser Konfrontation, nicht für ihn. Und in Peters Blick konnte er sehen, dass dieser das auch wusste.
Peter versuchte ihn auf Abstand zu halten, verletzte sich dabei mit ungeschickter Magie selbst und verlor einen Finger; was für ein Narr, was für ein dummer Idiot - Sirius wollte weinen und lachen und er wollte die Welt verfluchen, dass jemand wie Peter leben durfte, während James und Lily den Tod gefunden hatten. Sirius drängte ihn immer mehr zurück, bereit, Peters erbärmliche Existenz auszulöschen, als ihn plötzlich etwas mit voller Wucht von den Füßen riss; geistesgegenwärtig konnte er einen Schildzauber aufziehen, doch er wurde trotzdem zurückgeworfen.

Als Sirius wieder zu sich kam, befand er sich verletzt im Krater einer Explosion; Blut lief ihm über das Gesicht und Rauch vernebelte ihm die Sicht. Trotz allem konnte er die schemenhafte Bewegung in all dem Chaos sehen, als aus einem jungen Mann eine kleine Ratte wurde, die flink verschwand. Sirius versuchte sich auf die Beine zu kämpfen, aber sie konnten sein Gewicht nicht länger tragen. Er sackte in sich zusammen und begriff erst jetzt vollständig, was um ihn herum passiert war; das hohe Klingeln in seinen Ohren verschwand und wurde durch das panische Kreischen von Muggeln ersetzt. Er blickte sich um und entdeckte Leichen und Körperteile zwischen den Trümmern der Straße. Menschen, die von der Wucht regelrecht zerfetzt worden waren. Diese Ratte.
Doch erst als die ersten Mitglieder der magischen Strafverfolgung auftauchten und ihre Zauberstäbe auf ihn richteten, begann Sirius zu lachen. Hysterisch und überdreht, als ob er seinen Verstand verloren hatte. Und vielleicht hatte er das auch in dieser Nacht. Peter war entkommen und niemand würde ihm glauben. Auroren, die schon drei Jahre lang an seiner Loyalität gezweifelt hatten, tauchten am Tatort auf und als er in ihre Gesichter blickte und wusste, dass sie endlich das bekommen hatten, auf das sie so lange gewartet hatten - seine Enthüllung als wahnsinniger Black - musste er nur noch mehr lachen. Er lachte aus vollem Hals und er weinte, während sie ihn festnahmen, weil er wusste, dass es vorbei war. Niemand würde einem Black glauben. Niemand würde für Sirius Black kämpfen.

Nachdem ihm sein Verbrechen - der Mord an zwölf Muggeln und Peter Pettigrew, wobei Sirius bei der Erwähnung seines Namens erneut in manisches Gelächter ausbrach - vor dem Zaubergamot vorgelesen wurde, brachte das Ministerium ihn geradewegs nach Askaban. Als Sirius dämmerte, dass es keinen Prozess geben würde und dass sich wirklich niemand für ihn einsetzen oder ihn anhören würde, versuchte er ihnen verzweifelt mitzuteilen, dass sie die Ratte finden und töten müssten, aber niemand hörte ihm zu. Sie waren sich einig, dass Black offensichtlich verrückt geworden war und brachten ihn mit einem Silencio zum Schweigen, wie es Jahre zuvor schon seine Mutter so häufig getan hatte. Er dachte an Regulus, an diese großen Kinderaugen, die ihm verstohlen Mitgefühl über den Tisch hinweg zugeworfen hatten, aber als Sirius sich ein letztes Mal im Gamot umblickte und in die Gesichter starrte, die auf ihn herabblickten, fand er nur Hass und Abscheu und er wusste, dass er es verdient hatte.

Askaban. Wie häufig hatte er darüber gelesen und war stolz gewesen, dass ausgerechnet sein Ausbilder Alastor Moody die meisten Verbrecher hierher gebracht hatte und nun war er selbst an diesem Ort und würde dort sterben. Schuldgefühle und Dementoren griffen seinen Verstand in den ersten Wochen an und als Moody tatsächlich vor seiner Zelle auftauchte, um zu erfahren, was passiert war, konnte Sirius keinen klaren Gedanken mehr fassen oder eine wichtige Botschaft übermitteln. ”Es ist meine Schuld”, murmelte er und wog sich wie ein Wahnsinniger hin und her, während die Bilder von Lily und James ihn quälten, ”ich habe das getan. James und Lily. Meine Schuld.” Immer wieder dachte er daran, dass er es gewesen war, der sie überredet hatte, Peter zum Geheimniswahrer zu machen. Er hatte sie in die Hände des Verräters gegeben und damit ihr Todesurteil unterzeichnet. Ihr Blut klebte an seinen Händen. ”Ich habe sie getötet. Ich war das. Meine Schuld.”
Trotz allem kam Moody erneut zurück. Mehr als einmal. Doch Askaban ging nicht spurlos an Sirius vorüber. Seine Energie schwand, seine Worte blieben in seinem Kopf eingeschlossen. Er redete nicht mehr, reagierte nicht länger, wenn man ihn ansprach. Der Junge, der mit leuchtenden Augen und voller Tatendrang am ersten Tag seiner Ausbildung in der Aurorenzentrale aufgetaucht war, um der Welt zu beweisen, dass nicht alle Blacks die falschen Werte verfolgten, war tot.

Sirius wollte sterben. Mehr als einmal war er bereit, aufzugeben und zu warten, bis sein Körper keine Kraft mehr hatte, um sein Herz zum Schlagen zu bringen. Die Zellen von Askaban füllten sich mit weiteren Insassen - Namen und Gesichtern, die er kannte, sogar seine Cousine Bellatrix war darunter - und aus Gründen, die er nicht nachvollziehen konnte, gaben einige von ihnen ihn nicht auf. In ihren Augen war er einer von ihnen. Die Welt hatte ihn zum treuen Todesser und Verbündeten von Voldemort gemacht und einige der Insassen schienen es zu glauben, so wie sie an die Rückkehr des Dunklen Lords festhielten. Jahrelang hatte er darauf gehofft, diesen Tag zu erleben und als er die Neuigkeit hörte und Glück und Erleichterung spürte - ”Wir haben es geschafft, James, es ist vorbei” - dauerte es nicht lange, bis die Dementoren ihm selbst dieses Gefühl raubten und mit ihm im Laufe der Jahre zahlreiche Erinnerungen, mit denen er versucht hatte, die Zeit zu überstehen. Einige wenige konnte er retten und tief in sich drin verstecken, andere fielen den Dementoren zum Opfer: Der eigene Geburtstag, nächtliche Gespräche im Schlafsaal mit Moony und James, der Einzug in die Wohnung in London, Quidditch-Siege, Regulus’ Lachen und so vieles mehr.

Zeit wurde zu einem seltsamen Gebilde für Sirius; selbst 1995 hat sich sein Empfinden dafür noch nicht vollständig erholt. Teile seines Gedächtnisses scheinen in 1981 stehengeblieben zu sein. Er wusste nie, wie viel Zeit verstrichen waren. Monate oder Jahre - er verlor das Gefühl sehr schnell dafür, auch wenn er sich zwang, bei jedem Vollmond aus dem Fenster zu blicken und an Moony zu denken. Moony, der kein Spion gewesen war.
Peter hatte ihm Lily und James genommen und im Grunde hatte er ihm auch - lange vor den beiden - auch Remus genommen. Jede Stunde seines Tages trauerte Sirius um seine Freunde, vermisste sie und flehte um Vergebung für all die Fehler, die er begangen hatte. Er zog sich tief in sich zurück und erlaubte sich, davon zu träumen, wie Moony sich von allem erholte, was Sirius ihm angetan hatte und er ein gutes Leben mit Harry hätte, den er mit der Erinnerung an seine Eltern aufziehen würde.

Ob es Monate oder Jahre dauerte, bis Sirius begriff, dass Padfoot geschützter vor den Auswirkungen der Dementoren war, kann er nicht benennen. Aber es war reiner Zufall - eine kalte Nacht, in der er sich in das Fell seiner Animagusgestalt flüchtete - als er den Effekt bemerkte und fortan die meisten Nächte in der Gestalt des Hundes verbrachte. Sirius konnte erneut Energie sammeln und sich stundenweise von den Dementoren erholen. Er nutzte die kleinen Kraftreserven, um sich bei anderen Insassen zu revanchieren, die an seinen schlechten Tagen auf ihn aufgepasst hatten. Die Grenzen waren längst verschwommen: sie alle saßen im gleichen Boot und teilten das gleiche Schicksal; es brachte Sirius nichts, außer noch mehr Einsamkeit und Verderben, sie auf Abstand zu halten und zu meiden. Sie wurden keine Freunde, aber Gefährten und er wurde einer von ihnen, denn sie hatten begriffen, dass sie nur gemeinsam überleben konnten.

Padfoot schien in den späteren Jahren von Askaban wie ein eigenständiger Verstand in seinem Kopf zu funktionieren. Er passte auf den Jungen in ihm auf. Achtete darauf, dass er sich nicht verletzte, wenn er es wollte und dass er aß, wenn er auf den Tod wartete. Er gab dem Menschen eine Pause von den schmerzhaften Erinnerungen, mit denen er sich täglich quälte und ließ ihn zu den Fragmenten schöner Momente zurückkehren, um nicht den Verstand zu verlieren. Sirius verdankt seiner Animagusgestalt, dass er nicht wahnsinnig geworden ist, wie so viele andere … und er verdankt ihr nicht nur das.

Fudges Besuch in Askaban kam unangekündigt. Sirius hatte zu diesem Zeitpunkt lange keinen Menschen mehr von draußen gesehen und schon so lange nicht mehr gesprochen, dass seine Stimme im ersten Moment nicht funktionierte, als ob er es verlernt hatte. Sirius Black war längst zu einem Schatten seiner Selbst verkommen. Selbst Fudge erkannte das dreckige Gerippe mit den verfilzten, langen Haaren im ersten Moment nicht, das nicht weiter weg sein konnte von dem schönen Reinblut-Aristokraten, den man 1981 eingesperrt hatte. Ob Fudge so etwas wie Mitleid empfand, als er ihm die Zeitung übergab, um die Sirius mit ausgestreckten, zitternden Händen gebeten hatte? Die Gründe interessierten ihn nicht. Er wollte lesen. Endlich wieder lesen und seinen Verstand auf andere Dinge bringen; die ersten Erinnerungen mit Moony lugten aus ihren Verstecken in seinem Geist und er erinnerte sich daran, wie Remus ihm morgens immer die wichtigsten Meldungen vorgelesen hatte, während Sirius das Kreuzworträtsel bei einer Tasse Tee gelöst hatte. Als er die Kälte der Dementoren erhaschte, scheuchte er Moony zurück in die dunklen Winkel seines Verstandes, wo auch James und Lily überdauerten und der kleine Harry noch immer ein Jahr alt war.

Die Freude über die Zeitung schwand schnell - und hinsichtlich der Dementoren war das wohl auch gut so. Sirius war zu entkräftet, um die Artikel zu lesen und zu verstehen, aber was er entziffern konnte, war das Datum: 1993.
Zwölf Jahre, er saß seit zwölf Jahren in Askaban. Die Verzweiflung darüber hätte ihn womöglich aufgefressen, wenn er auf der Titelseite nicht plötzlich ein Gesicht entdeckt hätte, das er erkannte: Arthur Weasley - älter, aber noch immer unverkennbar der Mann, den Sirius damals durch den Orden kennengelernt hatte. Und Molly! Und ihre Kinder, von denen es deutlich mehr gab, als damals, als Sirius sie das letzte Mal gesehen hatte. Sirius’ Blick fiel auf einen Jungen, der in Harrys Alter sein musste. ”So groß ist dein Junge jetzt, Prongs”, dachte er sich, während er das Gesicht von Ron Weasley studierte und versuchte, sich Harry so vorzustellen, der in seinem Kopf noch immer ein Baby war.
Sirius starrte das Bild lange an. Immer wieder wanderte sein Blick über die bekannten und unbekannten Gesichter und die Veränderungen, die zwölf Jahre mit sich gebracht hatten, bis er die Ratte auf Rons Schulter ansah, richtig ansah und die fehlende Kralle erkannte. Das konnte unmöglich ein Zufall sein.

Sirius hatte sich in den Jahren zuvor nie Gedanken über einen Ausbruch gemacht. Er wusste, dass er die Inhaftierung und dieses Schicksal verdient hatte und es gleichzeitig keine Chance für ihn gab, Peter als Ratte in der Welt ausfindig zu machen. Aber jetzt wusste er, wo er war und wenn er den Weasley-Jungen begleitete, würde er nach Hogwarts kommen und in Hogwarts wäre … Harry. Remus hätte ihn sicherlich dorthin geschickt und nicht das Land mit ihm verlassen, damit Harry seinen Eltern dadurch ein Stück näher sein konnte.
Der Plan zur Flucht war schnell gefasst: Sirius wusste, dass er mit Hilfe von Padfoot entkommen und die Dementoren austricksen konnte. Er war schmal genug geworden, um sich als Hund durch Gitterstäbe zu zwängen und zu fliehen. Alles, was er tun musste, war nur auf den richtigen Zeitpunkt zu warten und dieser kam nur wenige Tage später.
Zeit war selbst außerhalb der Reichweite der Dementoren nicht für ihn fassbar. Bis heute weiß Sirius nicht, wie lange er als Padfoot durch die Nordsee schwamm, bis er endlich wieder festen Boden unter den Pfoten hatte oder wieso er überhaupt überleben konnte, da das Meer immer und immer wieder versucht hatte, ihn zu verschlingen. Es war der Wunsch nach Rache, der ihn durchhalten ließ.

Er blieb in Padfoots Gestalt, während er sich von der Flucht erholte. Nahrung fand er in Mülltonnen und einen Schlafplatz in offenen Garagen von Muggeln. Sirius wartete die ganze Zeit darauf, dass Auroren oder Dementoren ihn aufspüren und finden würden, aber niemand kam, also setzte er sein Unterfangen fort. Die Rückkehr nach London war nicht einfach, aber in Gestalt des Hundes gelang es ihm. Er schlich sich in Züge, versteckte sich unter Bänken und zwischen Gepäck. Sirius hatte seinen Plan, direkt nach Hogwarts aufzubrechen, auf seiner Reise verworfen: er musste zuerst Harry finden.
Sirius verschlug es zu der Wohnung in London, die er einst mit Remus bewohnt hatte, aber sie roch nach anderen Menschen. Weder Remus, noch Harry waren hier gewesen. Aber was war, wenn der Junge nicht bei Moony war? Sobald das Ministerium erfahren hätte, dass er ein Werwolf war, hätten sie ihm Harry niemals ausgehändigt. Aber wo konnte er dann sein? Remus war doch das letzte bisschen Familie, das Harry nach allem, was passiert war, noch geblieben war. Nein. Lily. Lily hatte Familie. Petunia. Er hatte sie einmal gesehen. Sirius begann in seinem zerpflückten Gedächtnis zu wühlen und er erinnerte sich, dass Hagrid in der Nacht von Halloween davon berichtet hatte, das Baby zu Lilys Familie zu bringen und Sirius wusste, in welcher Stadt sie lebten, auch wenn er das Haus nicht mehr vor Augen hatte. Er würde dort anfangen müssen zu suchen. Selbst wenn Remus Harry haben sollte - dort konnte er seine Spur aufnehmen. Padfoot trottete weiter, ignorierte die Müdigkeit und Erschöpfung. Er hatte ein Ziel vor Augen und alleine das trieb ihn an.
Immer wieder suchte er nach einem vertrauten Geruch und als er ihn fand, folgte er ihm und fand das Haus der Dursleys. Keine Spur von Remus, aber … James. Er entdeckte ihn mitten in der Nacht alleine auf der Straße, beladen mit seinem riesigen Hogwarts-Koffer. ”James”, wollte er rufen, aber es kam nur ein Winseln aus dem Maul des Hundes und als der Junge sich umdrehte, erkannte er, dass es nicht Prongs war, sondern Harry. Sirius zog sich erschrocken zurück. Wochenlang hatte er den Jungen gesucht und nun, da er ihn gefunden hatte, schämte er sich. Harrys Eltern waren seinetwegen tot und er hatte keine Ahnung, wie er ihm all das Chaos erklären sollte.

Harry entwischte ihm erneut und Sirius folgte ihm nach Hogwarts. Er würde erst Peter fassen und töten müssen, ehe er sich Harry zeigen konnte - das war er Lily und James und auch seinem Patensohn schuldig. Die langwierige Reise ging weiter, dieses Mal nach Schottland.
In Hogsmeade zog er Stellung an einem Ort, den er gut kannte: die Heulende Hütte. Padfoot suchte zwischen den alten Brettern nach Gerüchen seiner Freunde, aber die Zeit hatte ihm Moony und Prongs genommen. Der Hund rollte sich in einem Eck des Hauses ein, während Sirius im Geiste Pläne schmiedete, wie er Peter finden konnte. Unterstützung erhielt der Black dabei überraschenderweise von einem roten Kniesel, dem er eines Tages auf seinen Wanderungen über die Ländereien begegnete. Das Tier, das ihn an den Kater der Potters erinnerte, schien sofort zu bemerken, dass er ein Animagus war und tauchte in den darauffolgenden Tagen häufig bei ihm in der Heulenden Hütte auf, wenn er wieder ein Mensch war. Sirius, der Knieseln nie etwas hatte abgewinnen können, war nach Jahren in Askaban dankbar für den tierischen Gefährten. Er beobachtete Harry und seine Freunde, zu denen auch Ron gehörte, aus der Ferne und beim Quidditch. ”Gryffindor”, dachte er stolz, ”ganz genau wie du, Prongs. Er kommt nach dir. Wenn du sehen könntest, wie geschickt er auf dem Besen ist .. Lily würde die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, wenn sie seine wilden Manöver in der Luft sähe, aber du, Prongs, du würdest es lieben.”

Anfangs dachte er, er hätte im Gefängnis wirklich seinen Verstand verloren, aber wie sich herausstellte, war der Kniesel wirklich ausgesprochen gerissen und half ihm bei seinem Vorhaben. An Halloween - James’ und Lilys’ Todestag - drehte Sirius in der Heulenden Hütte fast durch. Der Kater versuchte, ihn zu hindern, zum Schloss zu gehen, aber er musste gehen. Der Tag holte die Erinnerungen klar und deutlich zu ihm zurück, er konnte nicht länger warten, er musste sie rächen und Sirius versuchte mit Gewalt in den Gryffindorturm einzudringen - ohne Erfolg. Er hatte nur noch alles schlimmer gemacht. Hogwarts erhöhte die Sicherheitsvorkehrungen und Dementoren waren nun überall. Sirius riss sich die langen Haare büschelweise mit den Fäusten aus, um sich für seinen Fehler zu bestrafen - seine Mutter hätte es so gewollt. Er hätte Peter haben können, wenn er nicht so unüberlegt vorgegangen wäre. Er war so dumm, so verflucht dumm gewesen. Der Kniesel suchte ihn auf, rollte sich auf seinem Schoß zusammen und hinderte ihn daran, sich noch mehr zu verletzen.

Es dauerte Monate, bis Sirius eine erneute Chance erhielt. Zeit, in der er in Hogsmeade plünderte und im Verbotenen Wald jagte. Sein Kopf spielte ihm einen Streich, das wusste er: hin und wieder meinte er Moonys Geruch zu erhaschen, aber das konnte nicht sein. Remus war nicht hier. Ob Harry ihn in den Weihnachtsferien gesehen hatte und seine Duftnote mit zurück nach Schottland gebracht hatte? Sirius versuchte, sich die beiden beim gemeinsamen Weihnachtsfest vorzustellen, aber es ging nicht. Er konnte diese schöne Vorstellung nicht aufrechterhalten, denn jetzt, wo er ihn gerochen hatte, holte ihn die Sehnsucht und der Schmerz ein. Er vermisste ihn, oh Merlin, er vermisste ihn so sehr. Zwölf Jahre und er liebte ihn noch immer wie früher, aber er wusste, dass es vorbei war. Moony würde nicht so für ihn empfinden - nicht mehr. Sirius hatte sein Leben zerstört und alles kaputt gemacht.
Obwohl der Kniesel ihm einen Zettel mit dem Passwort für den Gryffindor-Turm überbrachte, dauerte es über eine Woche, bis Sirius sich aufraffen konnte, um es erneut zu versuchen. Tage, in denen Sirius als Padfoot in der Hausruine kauerte und seiner Vergangenheit mit Remus hinterhertrauerte und er zu ermattet war, um zu jagen; er wollte ohnehin nichts fressen, doch der Kniesel brachte ihm seine Beute und verschwand nicht wieder, bevor Padfoot nicht etwas aß.

Im April 1994 schaffte er es bis in den Schlafsaal der Gryffindor-Drittklässler und er sah Peter - er sah die Ratte - aber bevor er ihn töten konnte, musste er erneut fliehen. Sirius kehrte in die Heulende Hütte zurück und er schrie vor Wut und Enttäuschung, bis ihm die Stimme versagte und seine Stimmbänder so mitgenommen waren, dass er tagelang nicht mehr sprechen konnte. Immer wieder scheiterte er. Wieso gelang es ihm einfach nicht, die Ratte zu erwischen und zu töten? Es war alles, was er wollte. Der Kniesel kam und spendete ihm Gesellschaft und Trost, während er weinte und James erneut um Vergebung anflehte.

Es brauchte zwei weitere Monate, bis Sirius endlich seine Chance bekam und den jungen Ron mit der Ratte abfangen und in die Heulende Hütte zerren konnte. Wie leicht es gewesen wäre, Peter zu töten, aber … Harry. Sirius musste erkennen, dass er James nicht nur zum Verwechseln ähnlich sah, sondern auch wie er war und sich heldenhaft in den Weg stellte - genau, wie James es damals immer getan hatte, wenn Leute etwas gegen die Rumtreiber gesagt hatten. Der gleiche heldenhafte Mut. Doch der Hass, den er in Harrys Gesicht sah und der Sirius Black - dem Mörder - gewidmet war, hatte er nie bei James entdeckt. Sirius wusste, dass er es verdient hatte. Er versuchte nicht einmal, sich bei Harry zu erklären, denn alles was er wollte, war, Peter zu töten. Alles danach war ihm egal. Harry könnte ihn töten und Sirius würde sich nicht dagegen wehren, er wäre sogar freiwillig nach Askaban zurückgekehrt, um seine Fehler weiter einzubüßen … nur Peter, er wollte doch nur Peter töten, das war alles.

Nie im Leben hatte er geglaubt, ausgerechnet dort auf Remus Lupin zu treffen. Zwölf Jahre waren verstrichen und hatten aus dem schlaksigen Jungen, der häufig mit einem Buch in der Hand eingeschlafen war, einen jungen Mann gemacht, den Sirius nicht mehr kannte. Er wusste nicht, was mehr schmerzte: zu sehen, wie viel Zeit man ihnen gemeinsam genommen hatte oder dass Moony ohne ihn erwachsen geworden war. Viel Zeit blieb ihnen nicht, um die Missverständnisse von 1981 aufzuklären, aber Sirius musste Remus zeigen, dass nicht er es gewesen war, der die Potters verraten hatte: er ließ ihn in seinen Geist eindringen und holte die kostbar gehütete Erinnerung hervor, in der er James vom Wechsel des Geheimniswahrer überzeugt hatte. Nun wusste Moony die Wahrheit. Die Umarmung, in der er ihn zog, tat nach Jahren ohne Nähe fast weh, aber wenn er Remus dadurch wieder nahe sein konnte, wollte er, dass dieser Schmerz nie ein Ende nahm.
Gemeinsam entschieden sie sich, Peter zu töten, aber Harry - ”Wie du, James. Dieses dumme, gute Löwenherz, das ich immer bewundert habe…” - verhinderte es und wie hätte Sirius ihm diesen Wunsch nach Rechtschaffenheit abschlagen können? Er hatte alles für James getan und er würde alles für Harry tun.

Snape, der Vollmond und die Dementoren führten zu einem Chaos, das in Sirius’ Kopf noch immer wie ein einziger Knoten existiert. Zu viel passierte in zu kurzer Zeit, aber es endete damit, dass ihm Peter ein weiteres Mal entkam und Sirius mit dem Hippogreif Seidenschnabel die Flucht ergreifen musste. Nichts war so gekommen, wie es sollte und so verzweifelt Sirius auch war, er wusste, dass er nicht aufgeben durfte. Nicht, solange Peter noch immer dort draußen war und eine Gefahr für Harry darstellen konnte. Nicht, solange Moony - sein Moony - in dieser Welt existierte und nach all den Jahren endlich die Antwort wusste.
Sirius floh nach Frankreich und tauchte in dem verschlafenen Küstenort unter, in dem er einst mit Andromeda den Tod seines kleinen Bruders betrauert hatte. Mehrere Wochen schlug er sich erneut als Padfoot durch, doch die Einsamkeit setzte ihm mehr und mehr zu. Das Wiedersehen mit Moony erinnerte ihn an Zeiten, in denen sie eine Gruppe von vier Jungs gewesen waren und es keine Minute gegeben hatte, in denen nicht einer von ihnen in seiner Nähe gewesen war. Die Sehnsucht nach ihnen zerfraß selbst Padfoots Verstand und er wusste, er musste zurück. Nicht nur für Moony, sondern auch für Harry, sollte er ihn brauchen. Er war nicht rechtzeitig für James da gewesen und dieser Fehler sollte sich nicht ein weiteres Mal wiederholen.

Anfang August 1994 kehrte Sirius nach Großbritannien zurück. Er folgte seinen Erinnerungen und der Spur, die er von Moony erhaschen konnte, die ihn letztendlich auf den abgeschiedenen Hof der Familie Lupin in Wales führte, wo sich schließlich zwei Männer nach zwölf Jahren gegenüberstanden, die der Krieg und die letzten Jahre schwer gezeichnet haben. Gemeinsam versuchen sie das Geschehene zu verarbeiten, an beschädigte Gefühle anzuknüpfen und wieder zu Kräften zu kommen - für Harry und füreinander.