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Camille Dagworth - Druckversion

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Camille Dagworth - Camille Dagworth - 03.04.2025

»silence is the most powerful scream.«
Camille kann sich nicht daran erinnern, wann sie realisiert hat, dass ihre Gedanken nicht zwingend ihre Eigenen sind. Wenn sie rückblickend darüber nachdenkt, ist ihr bewusst, dass sie einen langen Zeitraum in dem behindert war, was sie heute am besten kann: dem denken. Dass sich ihre Gedanken unterschieden haben, je nachdem, ob sie alleine war oder nicht. Dass Leute sprachen, obwohl ihre Lippen geschlossen waren; dass sie nicht spürten, wie sie sich fühlte, obwohl sie es bei ihnen wahrnahm. Dass ihre Kindheit aus einem Gedankenüberschuss bestand und die feinen Gedankenstränge, die sie selbst so sanft verfolgen kann, einem Wollknäul glichen. Entsperrend wirr waren die Worte, die im jungen Alter aus ihrem Mund purzelten, die Fantasien verbargen, die zusammengesetzt waren aus Gedankenfetzen, die nicht ihrem eigenen Wissenstand entsprechen und dem, was sie erlebt hatte. Sie merkte schnell, wie schief sie angesehen wurde für jeden Wutanfall, den sie in ihr Zimmer stürmen ließ, weil sie sich selbst nicht verstand. Für jeden Gedanken, den sie aussprach. Und so bevorzugte sie es, zu schweigen und sich zu verstecken, wann immer sie konnte.
Tatsächlich waren es die Auffälligkeiten in der Öffentlichkeit, die sie Muster in ihren Gedankengängen erkennen ließen. Während ihr Kopf zuhause eher ruhig war - immerhin ist die Gedankenwelt eines Dagworths wohl durchschnittlich eher leise - schienen fremde Emotionen und Gedanken in der Öffentlichkeit explodieren. Wenn sie mit ihrer Mutter zu Fortescue spazierte, durch die überfüllte Winkelgasse, kehrten sie oft durch ihr Gequängel frühzeitig um. Je älter sie wurden, desto offensichtlicher wurde für sie auch, dass sie die Gedankenfetzen Fremder erhaschen konnte. Und sie schwieg geflissentlich darüber.

Man möchte fast meinen, dass ihre Kindheit ansonsten eintönig war. Wie es für Kinder in der Familie Dagworth üblich war, lernte sie sehr früh das Lesen und weil Bildung vor keinem Alter halt machen sollte, waren die Bestrebungen, pädagogisch sinnvolle Bücher für Camille rauszusuchen, bei den Besuchen im Familienanwesen gering. Entsprechend wühlte sich Camille die meiste Zeit ihrer Kindheit durch die Familienbibliothek. War es am Anfang ein fröhliches Bilder anschauen von unappetitlichen Zaubertrankzutaten und alten Anatomiebüchern, lenkte sie ihre Aufmerksamkeit mit zunehmender Lesefähigkeit zu Büchern über Gedanken und dem Lesen derer. Entsprechend früh wusste Camille auf theoretischer Ebene über ihre Begabung Bescheid und entschied sich, alle möglichen Techniken zu nutzen, um fremde Gedanken konsequent auszublocken. Sie wollte nichst besonderes sein. Sie wollte in die Familie passen und mit tatsächlichem Wissen bestechen.
Wenn man sie fragen würde, würde sie sagen, dass die beste Zeit ihrer Kindheit die Zeit zwischen ihrem ersten gelesenen Buch und dem 16.07.1986 war. Morgens brachte ihre Mutter sie zu ihren Großeltern, wo sie mit ihren Cousinen das Haus erkundete und Bücher las und ab und an ein- und ausgehende Hexen und Zauberer mit Fragen löcherte. Nachmittags saß sie bei ihrem Großvater und ließ sich in die Geschichte der Zauberei einweihen und in das System der Gesellschaft, meist sehr theoretische Einheiten über Konzepte, die sie nicht greifen konnte und die doch spannend klangen. Und abends, wenn ihre Mutter nicht zu müde war, half sie im Zaubertranklabor, schnippelte ungelenk Zutaten und rührte in Kesseln, aus denen bunte Dämpfe kamen. Was manch Mensch als Indoktrinierung bezeichnen würde, als Überförderung eines Kindes, vertrug sich bestens mit ihrer Neugier und füllte ihren Kopf genug, um andere Gedanken ausblenden zu können.

Bis sie ihre Mutter leblos auf dem Boden des Labors fand. Ihre Mutter, die sie immer bei der Hand nahm und die wohl am ehesten verstand, dass sie etwas konnte, was andere Menschen nicht wussten. Camilles Leben änderte sich auf einen Schlag. Wochenlanges Bangen und Besuche im St. Mungo endeten darin, dass der Zustand ihrer Mutter blieb, wie er war und die Ärzte die auf Hochtouren stattfindende Suche nach einem geeigneten Gegentrank verlangsamen ließen, weil sie nicht zum Erfolg kamen. Es war der Tag gewesen, der ihr ihre Mutter aus dem Leben gerissen hatten. Zwar nahm ihr Vater den Platz recht bald ausreichend gut ein; er kämmte ihr die Haare, kuschelte sich abends mit ihr ins Bett, las mit ihr Bücher und verbrachte jede freie Sekunde mit ihr, vielleicht, um sich selbst mehr zu trösten als sie, und doch fehlte etwas in der kleinen Wohnung in der Winkelgasse. Sie besuchte das Familienanwesen seltener, weil sie die bedauernden Blicke nicht ertrug; meist nur, um in der Bibliothek nach neuem Lesestoff zu suchen und für die obligatorischen Bildungsstunden mit ihrem Großvater, die nun mehr Struktur annahmen, wurde sie doch immer älter. Und einige Monate nach dem Komastart ihrer Mutter, waren es vor allem die regelmäßigen Besuche im St. Mungo, die sie daran erinnerten, dass etwas absolut nicht stimmt.

Ein weiterer Schlag, der ihr Leben aus den Bahnen warf, war die Einschulung nach Hogwarts. Man könnte meinen, die Aussicht auf eine Schule würde ein lernwilliges Mädchen wie Camille begeistern, doch warum sollte sie sich auf Hogwarts freuen, hatte sie doch kompetente Experten zuhause? Natürlich war sie gespannt darauf, ihren Zauberstab verwenden zu können, natürlich freute sie sich darauf, Wissen zu sammeln... aber musste sie dafür wirklich auf eine Schule gehen? Eine Schule mit lauter fremden Menschen, weit entfernt von ihrer Familie?

Ihr Anfang in Hogwarts war schwer. Die unsicherer Stabilität, die sie im Ausblenden fremder Gedanken gewonnen hatte, geriet direkt ins Wanken, denken Hogwartsschüler doch deutlich unstrukturierter als sie es von zuhause gewohnt war. Und so verschlief sie die Möglichkeiten, direkt Freunde zu finden - nicht, dass sie dafür besonders gute Voraussetzungen gehabt hätte. Stattdessen fokussierte sie sich auf die Bibliothek, auf das Lernen von Zaubern und darauf, ihre Fülle an Wissen auch in akademischen Erfolg umzusetzen. Denn auch, wenn der Unterrichtsstoff selbst und das Tempo, mit dem er in Hogwarts umgesetzt wird, sie unterfordern mochten, fand sie sich in den ersten drei Jahren Schulzeit bei den Prüfungen in derselben Situation wider: die aufgeregten Gedankenfetzen ihrer Mitschülerinnen machten ihr es unmöglich, ihre eigenen Gedanken klar zu fassen. Mittlerweile hat sie hier den Bogen raus, indem sie bei jeder Prüfungssituation die ersten Minuten schlichtweg gar nicht erst versucht, etwas zu schreiben und stattdessen wartet, bis die Aufgeregtheit um sie herum in Konzentration umschlägt, die ihr selbst die nötige Ruhe gibt, um sich auf die Aufgaben zu konzentrieren.
Fern von akademischem Druck ist ihr Leben in Hogwarts so unspektakulär, wie es in Hogwarts nur sein kann. Nachdem sie sich von Großveranstaltungen fernhält oder ihre Aufenthaltszeit bei solchen auf ein Minimum beschränkt, hat sie von vielen Dingen schlichtweg auch nur am Rande mitbekommen. So hielt sie sich um den Wirbel um Harry Potter fern, der in ihrem zweiten Schuljahr Hogwarts betrat, ebenso wie von jenem um Lockhart - ein Lehrer, den sie aufs tiefste verachtete; immerhin waren seine Bücher qualitativ minderwertig und von Fehlern durchzogen. Durchaus bedenklich fand sie die Existenz eines Monsters, das aus der Kammer des Schreckens hervorstieg, um Kinder zu versteinern; und auch die Dementorenpräsenz um Hogwarts nach dem Ausbruch von Sirius Black gab einen weiteren Grund, Hogwarts lieber verlassen zu wollen. Dass ausgerechnet in ihrem ZAG-Jahr das trimagische Turnier eine Welle an fremden Schüler*innen nach Hogwarts tragen würde, die Plätze in der Bibliothek brauchten, für Wirbel sorgten und sich um einen Wettbewerb hypen ließen, der für Tragik und Dramatik prädestiniert war, begeistert sie tatsächlich wenig. Ihr Interesse an dem internationalen Wettbewerb war am Ende so gering, dass sie die meisten Veranstaltungen, die damit zusammenhingen, in ihrem Zimmer mit einem spannenden Buch verbrachte. Selbst den sagenhaften Yuleball, der weihnachtliches Glitzern in Hogwarts hinterließ, umging sie, um nachhause zu fahren.